Rezension

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Etwas zu gut gemeint

Wenn du mich küsst, dreht die Welt sich langsamer - Jessica Redmerski

Wenn du mich küsst, dreht die Welt sich langsamer
von Jessica Redmerski

Bewertet mit 2 Sternen

Camryn geht auf große Reise. Sie ist mit ihrem Leben unzufrieden (hat auch allen Grund dazu, vom Vater über den Bruder bis zum Freund und der besten Freundin geben ihre alle einen Grund ihr Leben nicht zu gerade zu mögen) und möchte etwas mehr daraus machen. Unterwegs trifft sie Andrew und auf einmal macht alles Sinn.

Das Cover ist jetzt nicht wahnsinnig einmalig, aber es sticht schon ein bisschen ins Auge. Vor allem aber ist es mir aufgefallen, weil es eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Roman „Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde“ hat. Inzwischen muss eine Cover-Ähnlichkeit ja nicht mal am Autor gekoppelt sein, aber selbst der Verlag ist nicht identisch, hier Blanvalet und dort Fischer. Aber sei’s drum. Hauptsache es hat meine Aufmerksamkeit erregt und den Kaufwunsch geweckt.

Nach dreimal drumrum schleichen, hab ich es tatsächlich mitgenommen. Eine fragwürdige Entscheidung - aber der Reihe nach.

Der Anfang ist noch nicht ganz so flüssig, aber trotzdem gut zu lesen. Und auch wenn diese Natalie mir mit jedem Satz mehr auf den Geist ging (meine Freundin hätte sie nicht sein können), konnte ich doch verstehen, wieso die Protagonistin Camryn sie mag. Die beiden sind ein merkwürdiges Gespann, aber die Chemie scheint irgendwie zu stimmen. Ich fand einige der gemeinsamen Szenen recht irritierend und nicht besonders überzeugend, auch wenn ich einsehe, dass sie für den Fortgang der Geschichte notwendig waren. (Bsp: Wenn Cam sich nichts von Natalie zum anziehen nehmen will - und es dann doch tut. Oder als Natalie sie schminken will und Cam nur einmal halbherzig ablehnt - und sich doch schminken lässt ; s. 1. Kap.) Jedenfalls ist diese Freundschaft gewöhnungsbedürftig. 

Aber noch dramatischer ist Natalies - drogensüchtiger - Freund Damon. Alle drei kennen sich seit der siebten Klasse oder so und kurz darauf sind Nat und Damon auch zusammen gekommen - obwohl Damon immer nur auf Cam „stand“. Das merkt Cam aber erst, als Damon den Barkeeper vermöbelt, mit dem Cam aufs Dach gegangen ist um zu reden. Blake - der Barkeeper - hat seinen Auftritt damit gehabt und verschwindet beleidigt. Er war noch der sympathischste Charakter und seitenweise hatte ich gehofft, er wäre derjenige, dem Cam bei dem Roadtrip begegnet. (Ja, ich weiß, hätte ich den Klappentext gelesen, wüsste ich, dass Andrew der Auserwählte ist, war, sein sollte …). Jedenfalls wurde ich dann ziemlich überrumpelt, als es plötzlich hieß, im Bus wäre es unbequem und sie könne nicht schlafen und überhaupt. Die Sequenz vom „Geldbeutel schnappen“ und „die lange Fahrt war unangenehm“ wurde auf ein oder zwei tiefsinnige Gedanken gestrichen, so dass der Leser nicht ganz mitgenommen wird.

Egal, jetzt sind wir schon unterwegs, und wer will sich da beschweren? Es läuft ganz gut an und auch die ersten Szenen mit Andrew machen Spaß. Die erzählerischen Perspektivwechsel sind meiner Meinung nach unnötig. Ein allwissender Erzähler hätte mir hier besser gefallen. Zumal sich vieles einfach überschnitt und zumindest Andrew den vollen Überblick über Cams Gedanken und Gefühle hatte. Aber die Autorin hat sich aus irgendeinem Grund dafür entschieden, und das schlechteste ist es auch nicht. 

Der Roadtrip im Bus macht schon Spaß. Aber der Roadtrip im Auto toppt das noch. Ja, diese Woche (oder so) war noch mit die am interessantesten und spannendsten. Bis die Sache mit dem Sex passierte. Nee, vorher noch, bis Cam auf einmal klar wird, dass Ian gar nicht ihre große Liebe war, sondern dass Andrew (der jetzt vor ihr sitzt!) ihre große Liebe, ihr Seelenverwandter ist! Aber gut, dass kann man vielleicht noch nachvollziehen, die Szene unter dem Sternenhimmel und wenn man sowieso schon total tiefgründig nachdenkt und sein Leben in Frage stellt. Dass dann allerdings die erste (zugegeben, bis auf die Sprache, echt heiße) Szene dran war, war wohl der Höhepunkt (haha!) der Geschichte. Danach geht es nur noch um Sex, aber auch nicht wirklich („erst musst du mir ganz gehören!“ … ?! … „Harter Sex turnt dich an“?!?!??!), es wird alles mögliche darüber gesprochen, aber Andrew hält sich tapfer zurück. 

Bis sein Vater stirbt und nach einem Besäufnistag die unmöglichste Szene eintritt. Bevor er Cam verlassen kann, heult sie sich die Seele aus dem Leib und sagt ihm, dass sie ganz ihm gehört! Genau seine Worte! Und oh wunder, er ist endlich bereit mit ihr zu schlafen. Von da an geht es um nichts anderes. Und von da an hatte ich gar keine Lust mehr weiter zu lesen. Alles ist super und das Leben ist schön und überhaupt. Kleinere Schwierigkeiten werden weggeküsst und dann ist die große Szene vorbereitet. Zwei, drei Andeutungen im gesamten Buch verteilt reichen um am Ende das bestgehütete Geheimnis ever mit Trommelwirbel enthüllen zu können. 

 

Fazit

Dieses Buch hat mittelmäßig angefangen, wurde dann kurz gut, ließ etwas nach und wurde dann richtig gut, um anschließend in freiem Fall alles mitzunehmen, was man gerne in einen Abgrund schmeißen möchte. 

Ja, es ist eine gute Idee, keine neue aber eine gute Idee, einen jungen Menschen oder noch besser direkt zwei eine Reise ohne Ziel machen zu lassen, um sich selbst, das Leben und die Liebe kennen zu lernen. Man kann das ganze unglaublich gut würzen mit dem, was auf so einer Reise passiert. Und das ist hier teilweise auch geschehen. Aber dann wurde es einfach nur absurd.

Allen voran das Ende. Etwas schlimmeres habe ich selten gelesen und ich lese viele äquivalente Romane. Die zwei Sterne dem guten Blake und den hin und wieder tollen Sequenzen im Bus und Auto zu verdanken.