Rezension

Express Yourself!

Lady Bitch Ray über Madonna - Lady Bitch Ray

Lady Bitch Ray über Madonna
von Lady Bitch Ray

Bewertet mit 5 Sternen

Lady Bitch Ray schreibt über Madonna.

In seiner Musikbibliothek hat der Verlag Kiepenheuer und Witsch ein „schickes kleines Musikzimmer“ ausgestattet. „Radikale subjektive Liebeserklärungen“ sind es, die Künstlerinnen und Künstler über ihre Lieblingsgruppen, Lieblingssängerinnen, Lieblingssänger übermitteln.

So erzählt die Rapperin und promovierte Sprachwissenschaftlerin Reyhan Şahin aka Lady Bitch Ray von ihrer ganz persönlichen Beziehung zu Madonna. Eine Madonna-Biografie darf man sich hier nicht erwarten. Wir erfahren zwar einiges über die amerikanische Pop Ikone, aber noch viel mehr über Lady Bitch Ray selber.

Schon als elfjährige nimmt sich Reyhan Şahin, Tochter türkisch alevitischer Migranten, Madonna zum Vorbild. Madonna war einer der ersten Künstlerinnen, die mit sexueller Performance den Mainstream erobern konnte. Als Lady Bitch Ray beherrscht die Autorin später die Provokation und Expressionismus mit Bravour. Aber sie erkennt auch sehr schnell, dass für Frauen allgemein und für Frauen mit türkischem, muslimischem Hintergrund in der Musikbranche ganz besondere Regeln gelten.

„Sie mussten mit mehr Hindernissen rechnen als beispielsweise weiße Frauen, und zwar sowohl in ihren eigenen Communitys als auch in den Mehrheitsgesellschaften.“

Als Sprachwissenschaftlerin erkennt Lady Bitch Ray das Reclaiming, dass sie selbst verwendet, auch bei Madonna wieder. Das positive Umdeuten negativer -in einer Welt alter weißer Männer – geprägten Begriffe oder Symbole in bestärkende ist ein Stilmittel, dass sich beide Künstlerinnen zu eigen machten. Ist es bei Madonna religiöse Symbolik wie in „Like a Prayer“ oder „Papa, don‘t preach“, stellt sich die Lady als „Bitch“ zur Verfügung.

Lady Bitch Ray gibt radikalen Förderunterricht in Sachen Popkultur, Provokation, Inszenierung und Feminismus. In your Face!

„Express yourself!“

Spurlos geht das nicht an Reyhan Şahin vorüber, es macht die Autorin angreifbar. Anfeindungen bis zur Morddrohung lassen die Autorin in eine Depression stürzen. Ein sehr persönliches Kapitel!

Trotz aller Bewunderung für den Werdegang und den künstlerischen Ausdruck Madonnas bleibt Lady Bitch auch ihrem Vorbild kritisch gegenüber. So schreibt sie über den Unterschied von künstlerischer Inspiration und Aneignung, geht mit Madonnas „white supremacy“ ins Gericht.

„…supremacy ist, wenn sich Madonna als Weiße ganz offensichtlich an Schwarzer Musikkultur bedient und dies nicht reflektiert oder diese Aneignung nicht dankend benennt.“

Lady Bitch Rays Wunsch ist es letztlich, dass jede Frau ein „bisschen Madonna“ ist, im eigenen Leben eine Hauptrolle übernimmt und sich über die Marginalisierungsgrenze hinaustraut. Word!