Rezension

Facettenreiche Protagonisten reißen mit.

Brüder - Jackie Thomae

Brüder
von Jackie Thomae

Bewertet mit 5 Sternen

Es sind erstaunlich viele Romane auf der Longlist/Shortlist des Deutschen Buchpreises 2019, die mir gefallen. "Brüder" gehört mit zu meinen Favoriten.

In dem Roman „Brüder“, der ganz und gar zu Recht auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2019 steht, läßt die Autorin vor dem Leser nacheinander zwei Biografien entstehen. Zwei sehr unterschiedliche Männer treten auf, die einander nicht kennen und nicht wissen, dass sie denselben Vater haben, der im Leben der zwei Frauen auftauchte  - und schnell wieder verschwand.

Der eine Mann, Mick, ist ein Hallodri, Lebenskünstler, der wie eine Katze immer wieder auf die Füße fällt, der andere, Garbriel, ein kontrollierter Stararchitekt.

Beide Lebensläufe nehmen den Leser völlig gefangen. Jackie Thomaes Protagonisten sind nicht Null acht Fünfzehn. Gemeinsam haben die beiden Männer ihre Vaterlosigkeit und den Migrantenhintergrund, denn ihr Vater ist schwarz. Wie sie damit umgehen und inwieweit beides ihr Leben prägt oder auch nicht prägt, ist mitreißend erzählt. Notgedrungen müssen sie sich immer wieder einmal mit der Thematik Ausgrenzung, Diskriminierung, Identität auseinandersetzen, wenngleich ihr jeweiliger Fokus woanders liegt.

Die Autorin läßt ihre zwei Geschichten nicht ineinanderfließen, sondern präsentiert sie hintereinander, fast wie zwei getrennte Romane, es gibt nur einen schmalen Faden, der sie verbindet. Aber das reicht. Ihre Protagonisten sind klug ausgesucht, die Geschichte voller wunderbarer, abstruser und völlig überzogener Details, die aber genau so hätten passieren können. Das Leben ist so: bunt und verrückt.

FAZIT: „Brüder“ ist ein Roman von großer gestalterischer Kraft. Die Erschaffung der facettenreichen Protagonisten ist das große Plus dieses Romans. Und nachdem ich nun alle sechs Romane der Shortlist gelesen habe, meine ich, „Brüder“ ist der einzige Roman der diesjährigen Shortlist, der mit „Winterbienen“ von Norbert Scheuer mithalten kann. Ich bin begeistert und auch gespannt darauf, welcher von den Autoren die Siegesrede halten wird. Mir fiele die Entscheidung zwischen Thomae und Scheuer schwer. Beide Romane sind auf ihre Weise genial.

Von mir gibt es daher eine, selten ausgesprochene, direkte LESEEMPFEHLUNG für diesen klugen, einfühlsamen, kreativen und eindrucksvollen Roman.

Kategorie: Anspruchsvoller Roman
Auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises
Verlag: Hanser, 2019

Kommentare

yvy kommentierte am 26. September 2019 um 12:05

Hach Wanda, wenn ich deine Rezis lese, möchte ich das jeweilige Buch am liebsten sofort lesen. Mir fehlt definitiv Lesezeit.

Danke für deine Meinung und das nächste Buch auf meiner Merkliste.

Marshall Trueblood kommentierte am 27. September 2019 um 08:18

Bin gerade mittendrin. Bisher bin ich total begeistert. Das ist richtig gut gemacht!

wandagreen kommentierte am 27. September 2019 um 09:22

Ja. Schön, dass wir das gleich sehen. Nicht verwirren lassen nachher - einfach einlassen. Du darfst gerne hier diskutieren, falls es was zu disktutieren gäbe.

Marshall Trueblood kommentierte am 30. September 2019 um 20:19

Nachdem wir bei Kintsugi so uneins waren, bin ich froh, dass wir von Brüder beide so begeistert sind. Ich war schon von der Leseprobe begeistert, aber der Roman hat mich mit seiner erzählerischen Kraft mitgerissen...ganz ganz groß...Rezension folgt, wenn ich aus dem Urlaub zurück bin...liebe Grüße