Fader Aufguss
Bewertet mit 2 Sternen
Und für dieses Buch wollte Caroline Wahl eine Nominierung für den Deutschen Buchpreis haben?
Nun ja…
Zugegeben, Wahls erstes Buch „22 Bahnen“ hat auch mich durchaus hingerissen. Ihre Protagonistin Tilda war in ihrer Verzweiflung über die alkoholkranke Mutter, ihrer Fürsorge für die kleine Schwester Ida, und in ihren Träumen eine ganz vortreffliche Hauptdarstelleri, der ich viel Sympathie entgegenbrachte.
“Windstärke 17“ nun, der Nachfolgeroman, liest sich wie ein fader Aufguss eines ausgequetschten Teebeutels.
Dieses Mal ist Ida die Hauptdarstellerin, und aus der kleinen Schwester ist eine traumatisierte junge Frau geworden, die kurioserweise fast das gleiche Szenario erlebt, wie ihre große Schwester Jahre zuvor. Caroline Wahl hat dasselbe Gerüst benutzt. Was bei „22 Bahnen“ noch frisch und anrührend war, verkommt im Folgeband zur recycelten YA Novel.
Eine selbstmitleidige Protagonistin, die irgendwann nur noch nervt, simple Dialoge, die (WARUM?) teils als Fließtext mit Anführungszeichen, teils wie im Drehbuch ( Nachtigall, ik hör dir trapsen!) oder Theaterstück untereinander mit Rollenname und Doppelpunkt verfasst sind.
Noch nerviger: Ida denkt, und das Gedachte wird als Dialog mit jemand anderem wiederholt. Überhaupt werden ständig Gefühle, Gedanken, Erinnerungen wiederholt. Die Gefühle , Gedanken und Erinnerungen sind irgendwann nur noch redundant, sollen aber auf die Tränendrüse drücken. Die larmoyante Liebe zur Alkoholiker- Mutter ist zudem unglaubwürdig. Nach Jahrzehnten des Martyriums mit einem Alkohol- abhängigen Elternteil, liebt man dieses nicht mehr, denn Ekel, Angst und eine unglaubliche Einsamkeit sind alles, was bleibt. Ich darf das sagen, denn ich bin Kind eines Alkoholikers .
Des Öfteren fragt man sich als Leser:“Wie alt ist diese Ida eigentlich ? 12?“, so jedenfalls kommt sie einem in ihrem erratischen Irrlichtern vor. Wenn man aber den wirren Zeitangaben folgt, müsste sie zwischen 19 und 21 sein.
Warum benimmt sich Ida, die preisgekrönte Kurzgeschichten schreibt, so dermaßen infantil?
Das Ende funktioniert leider auch nach dem Motto „Friede, Freude, Eierkuchen“, und was ist das überhaupt für ein Frauenbild, das Erlösung durch Liebe bekommt?
Für mich funktioniert nichts an diesem Buch, außer der PR des Verlags, dabei hat Caroline Wahl wirklich Talent, und ich hoffe, sie nützt es für ihr nächstes Buch und zaubert nicht zufällig noch eine uneheliche Schwester von Tilda und Ida hervor…