Rezension

Fängt klasse an, wird dann aber nervig

Eiskaltes Vergessen - Linda Castillo

Eiskaltes Vergessen
von Linda Castillo

Eine Frau hetzt barfuß durch den Schnee, verfolgt von einem SUV. Sie fürchtet um ihr Leben und trotz der Schusswaffe in ihrer Hand, weiß sie nur einen Ausweg: sie muss den Sprung den verschneiten Abhang hinunter wagen, sonst wird der Mann im SUV sie töten. Als sie wieder zu sich kommt, seilt sich ein Mann aus einem Hubschrauber ab, um sie zu retten und in ein Krankenhaus zu bringen. Ihr erster Impuls ist, ihn mit der Waffe zu bedrohen. Sie weiß nicht mehr, wie sie dort hingekommen ist, wer sie ist, wie sie heißt...

Diese anfängliche Verfolgungsszene bietet Stoff für einen richtig guten Thriller und das ist Eiskaltes Vergessen auch. Zunächst. Im Krankenhaus stellt man fest, dass die Frau nicht nur unterkhlt ist und eine Gehirnerschütterung und damit einhegehend auch eine Amnesie hat, sie ist auch im dritten Monat schwanger.  Bei sich findet sie einen Zettel mit einem Namen: Hannah. Ist das ihr Name? John, der Mann, der sie mit dem Hubschrauber geborgen hat, beschließt, sie von nun an so zu nennen. Er ist von ihrer Zartheit und Schönheit betört und hat das starke Bedürfnis, sie zu beschützen. Er fühlt sich verantwortlich für sie und möchte sie in Sicherheit bringen. 

Von diesem Zeitpunkt an folgt Eiskaltes Vergessen leider immer wieder dem gleichen Schema in leicht abgeänderter Form. John bringt 'Hannah' an einen Ort, den er für sicher hält, kurz darauf taucht der SUV wieder auf und ein Mann versucht, Hannah zu töten. Das bringt John relativ schnell auf die Spur, was für eine Art Person der Verfolger sein muss. Um nicht zu spoilern, gehe ich nicht näher darauf ein, aber auch als Leser hat man sehr (viel zu) schnell einen Verdacht, wer hinter Hannah her ist und warum er immer weiß, wo sie steckt. Überlagert werden diese Thrillerelemente leider von etwas ganz anderem. Haben mir die ersten 100 Seiten noch richtig gut gefallen, gab es im restlichen Verlauf leider ein Thema, das mir irgendwann extrem auf die Nerven ging. Und das sind John Gefühle. Auf gefühlt jeder Seite betont er, wie sehr er sich zu Hannah hingezogen fühlt, wie sehr er sie begehrt, aber er darf sie nicht haben, denn sie gehört ja einem anderen und außerdem gibt es da ein Geheimnis in seiner Vergangenheit und er ist einfach nicht gut genug für sie und er ist es nicht wert, geliebt zu werden... Was ihn aber nicht davon abhält, mit Hannah Sex zu haben. 

Dieses heulerische Verhalten von John stand leider völlig im Fokus der Geschichte, wodurch jegliche Spannung verloren ging. Ich war in der zweiten Hälfte des Romans leider nur noch genervt. Und dann Hannah. Man stelle sich vor, man erlebe etwas Schrecklickes, verliere sein Gedächtnis und erfahre dann, man sei im dritten Monat schwanger. Fragt man sich dann nicht normalerweise, wer der Vater ist und ob man nicht vielleicht verheiratet ist und ob es da bereits einen Mann in seinem Leben gibt, den man liebt? Oder ist es völlig normal, dass man sich sofort auf eine Affäre mit seinem Retter einlässt? Dieses Verhalten macht Hannah in meinen Augen zu einer sehr unsympathischen Figur.

Das Ende war dann leider auch so, wie ich es erwartet habe und für meinen Geschmack viel zu kitschig (was nur durch eine 180°-Wende auf Seiten von John möglich war, übrigens). Der Täter war keine Überraschung, das Motiv auch nicht, der Ausgang der Affäre und die Sache mit der Amnesie ebenfalls nicht. Eiskaltes Vergessen hat sehr stark angefangen, lässt dann aber rapide nach und dem Ende fehlen sowohl eine spannende Wendung wie ein originelles Ende. Für mich stecken hier einfach so viele Widersprüche und Klischees drin.  Schade, dabei hat es so gut angefangen.  
 

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