Rezension

Fängt stark an und fällt leider stark ab

Im Zeichen der Mohnblume - Die Schamanin - R. F. Kuang

Im Zeichen der Mohnblume - Die Schamanin
von R. F. Kuang

Bewertet mit 3 Sternen

Als ich mir den Klappentext durchlas, wurde ich neugierig auf den Inhalt. Fantasy in einer asiatischen Welt? Klar, gerne. Um grob zusammenzufassen (so weit das bei dieser umfassenden Handlung möglich ist), um was es geht, verfolgt die Geschichte Rin, einem Mädchen, das in einer ländlichen Provinz des Reiches Nikan aufgewachsen ist und alles tun würde, um dem sie erwartenden Leben dort – nämlich einer Zwangsheirat – zu entrinnen. Deshalb legt sie eine Prüfung ab und wird schließlich in Sinegard angenommen, einer renommierten Akademie, in der sie die Kunst des Krieges erlernen soll. Doch in Sinegard entdeckt Rin nicht bloß das, sondern auch weitere Mächte, nämlich die der Götter, was sich noch als wichtig erweist, als ein Krieg ausbricht.

Wie bereits angedeutet, ist die Handlung aus "Im Zeichen der Mohnblume – Die Schamanin" sehr ausschweifend. Wir verfolgen Rin über mehrere Jahre hinweg, ab dem Zeitpunkt, zu dem sie für die Aufnahmeprüfungen der Akademien lernt, bis zum genannten Krieg. Dadurch wird wirklich sehr viel erzählt. Was ich anfangs nicht schlimm fand. Da ging es zunächst um Rins Leben in Sinegard und was sie dort lernte. Doch nach Ausbruch des Krieges kam es mir vor, als wäre viel zu viel passiert. Die vielen Wendungen des Krieges kamen mir vor, als wären sie auf zu wenigen Seiten erzählt worden. Ich hatte das Gefühl, als hätte die Autorin hier zu schnell zum Ende kommen wollen. Schon vorher wurden Tage, Wochen, Monate auch mal in ein paar kurzen Sätzen zusammengefasst oder auch einfach übersprungen, doch da hätte ich mir gewünscht, dass doch stärker drauf eingegangen wäre. Denn so kamen die Emotionen, die die Handlung definitiv hätte auslösen sollen, nicht wirklich bei mir an.

Was die Themen im Buch anging, so war es aber wirklich interessant. Man merkt schon recht früh, dass der Fantasyroman eher für Erwachsene gedacht ist, da er schon recht eindeutig die Grausamkeiten des Krieges beschreibt. Eine Liebesgeschichte sucht man hier hingegen eher erfolglos. Was ich manchmal ja gar nicht so schlimm finde, da sie das Ganze oft verkitschen. Außerdem werden vielen Gottheiten vorgestellt, was wirklich spannend war. Leider wurden diese nicht allzu ausführlich besprochen. Eigentlich lernte man nur den Phönix richtig kennen, die anderen werden zwar auch mal erwähnt, aber was genau sie beherrschen, bleibt unklar. Nur ein Beispiel für mich, wie "Die Schamanin" in Sachen Worldbuilding leider zu viel Potential verschenkt hat. Denn für mich blieb auch bis zuletzt unklar, wer Hesperer sind, da half mir auch die Karte im Umschlag vorne und hinten nicht weiter. Dafür hätte R.F. Kuang meiner Meinung nach mehr tun müssen.

Nichtsdestotrotz war "Die Schamanin" ein für mich spannendes Leseerlebnis. Allein dass die Autorin so schonungslos von einem Krieg schreibt, machte die Handlung bis zu einem gewissen Grad unvorhersehbar. Und es wurden ein paar Dinge angedeutet, zu denen man rätseln kann, was schon gut Lust auf das nächste Buch macht.

Hinsichtlich des Schreibstils bin ich etwas unsicher, was ich davon halten soll. An sich ließ er sich super lesen und auch die eigene Sprache mit Sprichwörtern war schön zu entdecken. Ich bin zwar nicht durch die Seiten geflogen, aber es war doch einfach, der Autorin zu folgen und hat größtenteils auch Spaß gemacht. Aber. Und hier gibt es leider mehrere (kleinere und auch größere) Aber, die mein Leseerlebnis dennoch getrübt haben. Aber mich hat an manchen Stellen er Jargon gestört. Ich kann mir vorstellen, dass er sich durch die Übersetzung eingeschlichen hat, jedenfalls wurden so manches Mal neuartigere Redewendungen eingesetzt, die sich für mich ganz einfach nicht stimmig angehört haben. Und mein zweites – und deutlich größeres – Aber sind die Emotionen, die sind bei mir nämlich so gut wie nicht angekommen. Wahrscheinlich lag es daran, dass wie schon erwähnt vieles übersprungen wurde. Jedenfalls ist ja doch so einiges Dramatisches passiert und doch bin ich relativ unberührt geblieben.

Ebenfalls zwiegespalten lassen mich die Figuren im Buch zurück. Mein Problem mit ihnen besteht vor allem darin, dass sie sich nicht richtig greifen lassen. Vor allem eher unwichtige Charaktere (heißt: nicht Rin) hatten keine Persönlichkeiten, die sich ganz rund anfühlten. Ein bisschen besser fassbar waren hier für mich Jiang, Kitay und Altan. Bei ihnen hatte ich zumindest ansatzweise das Gefühl, nicht nur einen flachen Charakter und noch dazu eine Art Entwicklung zu erlesen. Ansonsten war mir die Besetzung im Buch leider zu flach.

Rin hingegen war für mich nochmal eine andere Kategorie. Sie als Protagonistin hat schon eine starke Entwicklung durchgemacht und anfangs bot sie ein gutes Identifikationspotenzial. Als Waisenkind, das sich ihren Platz in der Welt erarbeitet, war sie schon eine Figur, in der man sich gerne wiedererkennt. Ich mochte ihren Ehrgeiz und später mochte ich außerdem, wie kritisch sie trotz der Macht den Gottheiten gegenübersteht. Doch besonders im letzten Viertel traf mir Rin ein paar zu viele willkürliche und nicht zu ihr passende Entscheidungen, die dieses Bild von ihr zunichte machten. Wie sie in der einen Minute noch stur auf ihrer aktuellen Meinung beharrt, nur um diese in der nächsten komplett zu verwerfen, war für mich nicht nur unsympathisch, sondern vor allem auch unglaubwürdig.

 

Wenn ich überlege, wie viele negative Punkte ich in dieser Rezension aufzähle, muss man denken, ich hätte dieses Fantasybuch nicht leiden können. Doch Fakt ist, dass ich eigentlich vor allem in der ersten Hälfte ganz gut davon unterhalten wurde und erst danach die Punkte aufkamen, die mich tatsächlich stärker störten. Meiner Meinung nach hat die Autorin hier einiges an Potenzial, das sie aufbaute, verschenkt.