Rezension

Fahrt zur Hölle!

DER HÖLLENEXPRESS - Christopher Fowler

DER HÖLLENEXPRESS
von Christopher Fowler

Bewertet mit 3 Sternen

Oh, was für ein geniales Cover! Und der Klappentext machte mehr als neugierig, also konnte ich nicht widerstehen: Ich bestieg den Höllenexpress, klaute einem schlafenden Bauern das Ticket und zeigte dieses dem Zugführer vor. Ein seltsamer Bursche war das, stand immer in derselben Nische, sprach - wenn überhaupt - nur seltsames Zeug und machte sich gut im Unheimlichwirken. Allzu oft bekam ich ihn aber nicht zu sehen, dafür mehrere andere komische Leute. Ein junges Liebespärchen zum Beispiel, ein gestandenes, englisches Ehepaar, Soldaten, einen verkrüppelten Handelsreisenden, einen fast tauben Schausteller, viele ungewaschene stinkende Landbewohner - doch alle waren seltsam befremdlich. Manchmal schienen mich meine Sinne trügerisch, war ich doch sicher, einen General Blut aus einem jungen Soldaten saugen zu sehen oder einen Ghul, der die Ehefrau des Pastors jagte. Der Zug selbst entwickelte ein Eigenleben, schlossen sich doch plötzlich Türen, die vorher offen waren, oder öffneten sich Eingänge, die vorher verschlossen waren. Leute rannten umher, wurden gefangenen genommen, entkamen, wurden mit Handschellen gefesselt und entkamen wiederum. Und während der Wahnsinn seinen Lauf nahm, ratterte der Zug einem unbekannten Ziel entgegen, hinein ... ja, wohin? Verrate ich natürlich nicht.

Eigentlich waren alle Zutaten für eine tolle Geschichte vorhanden. Es gab jede Menge Konflikte, Aufgaben, die gestellt und gelöst werden mussten, das Erkennen eigener Schwächen und das Suchen und möglicherweise Finden von in sich vorhandener Stärke, selbst die Moral kam nicht zu kurz. Spielte die Handlung doch im mittlerweile vom 1. Weltkrieg zerrütteten Osteuropa, in einer kargen Gegend, die wohl weder vorher noch hinterher jemals jemand freiwillig betreten hatte. Trotzdem fehlte etwas Entscheidendes, und nach längerem Überlegen bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass ich mich nicht auf die Story einlassen konnte, weil von vornherein feststand, dass es sich nur um eine Geschichte innerhalb einer Geschichte handelt. Ich kam nicht heran, denn derselbe Kunstkniff, der es dem Autor erlaubte, zwei oder gar drei Handlungsstränge zu beschreiben und in das Filmmilieu einzuführen, verhinderte in meinem Fall, dass ich irgendetwas, das den Protagonisten zustieß, fühlen konnte. Für mich läuft kein Film, wenn man mir einen Film beschreibt. Ich möchte Gefühle, Emotionen der Protagonisten in meinem Inneren spüren, nicht erzählt bekommen. Ich will mittendrin sein, statt nur dabei. Und genau das fehlte mir hier extrem. Alles war künstlich in Spotlight getaucht und nahm mir - gerade auch wegen der mehrmaligen Unterbrechungen für den ersten Handlungsstrang - jedes Mal den Wind aus den Segeln. Oder den Dampf aus der Lok. Oder wie auch immer. Das ist echt schade, denn vom Plot her hat es mir echt gefallen - ein klassisches Schauermärchen in einem Zug habe ich vorher noch nie gelesen.

Fazit: Für mich funktionierte der Hintergrund der Idee leider nur bedingt, obwohl die Geschichte tolles Potenzial und einen guten Schreibstil hatte.