Rezension

Faktenreich, historisch interessant und spannend

Weißes Feuer (Darktown 2) - Thomas Mullen

Weißes Feuer (Darktown 2)
von Thomas Mullen

Bewertet mit 4 Sternen

REZENSION – Noch spannender und interessanter als der erste Band „Darktown“ (2018) ist der im November im Dumont-Buchverlag veröffentlichte Folgeband „Weißes Feuer“ des amerikanischen Schriftstellers Thomas Mullen (46). Wieder geht es um den täglich sichtbaren und unsichtbaren Rassenkonflikt zwischen Schwarzen und Weißen in Atlanta, Hauptstadt des Bundesstaates Georgia, im Nachkriegsjahr 1950 und um die schwierige Arbeit der ersten acht, seit 1948 im Schwarzenviertel „Darktown“ eingesetzten Negro-Polizisten. Im Unterschied zum ersten Band, der die Tage direkt nach Gründung der vom Bürgermeister aus rein politischem Kalkül um Wählerstimmen geschaffenen Polizeieinheit aus nur wenigen Afroamerikanern schildert, sind die acht Darktown-Polizisten inzwischen auch mit Pistolen ausgerüstet, was die Gefahr möglicher rassistischer und persönlicher Konflikte noch erhöht.

Ohnehin ist die Situation der Negro-Cops, wie sie von den Weißen genannt werden, schwierig genug. Einerseits gelten Afroamerikaner grundsätzlich als Bürger zweiter Klasse, andererseits sind diese Uniformträger für die meisten Bewohner Darktowns Autoritätspersonen - allerdings nicht für alle. Denn als Polizisten dem von Weißen bestimmten System zugehörig, werden sie von manchen Schwarzen wiederum nicht anerkannt. So ist auch für den schwarzen Polizisten Lucius Boggs und seinen Partner Tommy Smith, die wir wieder auf ihren nächtlichen Streifengängen sowie in ihrem privaten Alltag auf Schritt und Tritt begleiten, der Polizeidienst eine tägliche Gratwanderung. Doch in diesem zweiten Band der „Darktown“-Trilogie geht es nicht allein nur um Einzelschicksale. Vielmehr beschreibt Mullen in „Weißes Feuer“ die gesellschaftliche Gesamtsituation des Rassismus in den amerikanischen Südstaaten sowie die schrittweisen Veränderungen auch innerhalb der schwarzen Gemeinschaft: Der zwar geringe, aber doch wachsende Wohlstand ist an der steigenden Zahl von Hauskäufen abzulesen. Doch wegen fehlenden Wohnraums in den von Schwarzen bewohnten Wohnvierteln dringen erste Hauskäufer in die von Weißen bewohnten Viertel vor. Dies führt zu neuen Konflikten und letztlich zum Auftritt des Ku-Klux-Klans sowie der noch gewaltbereiteren Nazi-Gruppierung der „Columbianer“.

Autor Thomas Mullen gelingt es großartig, die gesellschaftliche Komplexität des Rassismus in den Südstaaten, dessen Auswirkungen auch heute noch immer präsent sind, in einer spannenden Handlung und in unterschiedlichen Facetten darzustellen. Wir in dieser Thematik eher unerfahrenen Leser lernen viel über das Treiben des Geheimbundes Ku-Klux-Klan und der Nazi-Gruppierungen, die vor Mord an Schwarzen nicht zurückschrecken. Wir erfahren aber auch, dass es nicht nur zwischen Weiß und Schwarz gesellschaftliche Grenzen gibt, sondern auch eine Milieu-Abgrenzung einer gebildeten, wohlhabenderen Oberschicht der Afroamerikaner zur breiten Schicht ungebildeter einfacher Arbeiter.

Bemerkenswert an dieser Darktown-Reihe ist, dass deren Autor ein Amerikaner weißer Hautfarbe ist, blieb doch dieses Thema bislang eher wenigen schwarzen Autoren vorbehalten. Andererseits mag dies aber auch Ursache mangelnder Objektivität in der Charakterisierung seiner Figuren zu sein: Bei Thomas Mullen gibt es nur „gute Schwarze“ und – bis auf zwei Ausnahmen – nur „schlechte Weiße“, allen voran die korrupten und in Verbrechen verstrickten weißen Polizisten. Sieht man aber davon ab, ist der Roman „Weißes Feuer“ trotz seines historischen Faktenreichtums ein leicht lesbarer und überaus spannender Kriminalroman. Er vermittelt seinen Lesern zugleich auf lockere Weise viel Interessantes und Wissenswertes über die Jugendzeit des damals erst 20-jährigen, in Atlanta geborenen und aufgewachsenen Prediger-Sohnes Martin Luther King (1929-1968), der wegen der in Mullens genannten Lebensumstände zum Bürgerrechtler wurde. Auf den letzten Band der Darktown-Trilogie, „Lange Nacht“, darf man gespannt sein.