Rezension

Falsche Erwartungen

Das Bildnis des Dorian Gray
von Oscar Wilde

Bewertet mit 4 Sternen

Wahrscheinlich lag es eher an mir, als an der Geschichte. An meiner falschen Erwartungshaltung. So viel schon gehört von Wildes einzigem Roman, welch Skandal er damals ausgelöst hat, all die Verderbtheit, all die Widerwärtigkeit. Irgendwie empfand ich das dann aber nicht so. Es hat mich leider nicht richtig packen können. Ich hatte leider nie das Gefühl, jetzt aber wirklich weiter lesen zu müssen. Natürlich, wenn ich mir vorstelle, das Buch vor 120 Jahren gelesen zu haben, dann hätte ich sicherlich vor Entsetzen die Hand vor den Mund geschlagen, aber sooo wild fand ich es jetzt wirklich nicht. Vieles bleibt der Phantasie überlassen, das stimmt schon. Es steht zwischen den Zeilen. Und ich konnte mich auch gut in ein finsteres und vergangenes London hineinversetzen, ich konnte Gin trinkend in den Spelunken abhängen und leichten Mädchen zulächeln. Die Stimmung kam schon gut rüber, so ist es nicht. Wahrscheinlich hatte ich mir einfach zu viel erwartet von der Geschichte, in der Dorian Gray einen Pakt mit dem Teufel schließt um ewig jung zu bleiben, sein Bildnis dafür aber auf grässliche Weise altert und welkt. Die Geschichte an sich war völlig gut, die Dialoge intelligent mit feinem Humor, Sarkasmus und Ironie. Es hat sich gut und flüssig lesen lassen. Doch traurig, dass Wilde nur einen Roman geschrieben hat bin ich nicht. Seine Märchen und Kurzgeschichten gefallen mir viiiel besser. Trotzdem eine klare Leseempfehlung.