Rezension

Familie ist Pflicht

Jade City - Familie ist Pflicht
von Fonda Lee

„Der Clan ist mein Blut und der Pfeiler ist sein Meister“ 

 

Was für ein Schock - ich musste beim Tippen der Zeilen selbst lachen. Ich hatte Erwartungen an das Buch. An den Hype - und hatte mir ein Bild gemacht, dass deutlich von dem geschäftsmäßigem Bild von Janloon abwich, das sich mir gleich auf den ersten Seiten bot. Janloon kam hektisch daher, eine asiatische Metropole, die nie schläft. Mit teuren Autos, Restaurants mit knusprigen Tintenfischbällchen auf der Speisekarte und verfeindeten Clans, die ebensogut mit der Pistole wie auch dem Karambit umzugehen wissen, und die wirtschaftlichen Geschicke der Stadt lenken. 

 

Also - ich musste mich erst mal Neujustieren - auf den ersten Seiten wird man mit Diebstahl, Jadekräften und Bestrafungen konfrontiert. Hochgradig spannend, denn es geht um um zwei rivalisierende Clanfamilien, deren fragiler Herrschaftsbereich durch eine neue mächtige Droge neuausgerichtet wird - die alte Fehde entbrennt erneut. Wir folgen den Kaul-Geschwistern. Lan, dem Führer der Familie - dem Pfeiler, Hilo - der das „ausführende Organ“ ist - das Horn, der gerade erst wieder in die Stadt zurückgekehrten Shae und Anden, der gerade sein Abschlussjahr in der Akademie absolviert, bereit dem Clan die Treue zu schwören. 

 

Fonda Lee gelingt es meisterhaft, ein charakterliches Spinnennetz über die Stadt zu werfen und die Figuren - sie könnten nicht unterschiedlicher sein - so agieren zu lassen, dass sie in ihrer Rolle aufgehen, mir aber trotzdem allesamt ans Herz gewachsen sind. Lan ist so klug, so weitsichtig- und trotzdem strauchelt er - und ich mit ihm. Shae erkämpft sich einen Platz fernab der Clangeschäfte und jedes kleine Puzzleteil fühlt sich für uns beide wie ein Sieg an. Hilo ist so eine streitbare Figur, er ist ein Schläger, trotzdem hat er einen Platz in meinem Herzen erobert, da er seinem Clan treu ergeben ist und für seine Familie durchs Feuer geht. Anden ist mein Liebling und am Ende habe ich ihn gefeiert, ich habe sie alle gefeiert! Lee hat es geschafft, diese so unterschiedlichen Figuren fest in meinem Herzen zu verankern, das Buch lebt durch ihre Handlungen, Gedanken und Gefühle und die feste Bindung zueinander, trotz all ihrer Unterschiede. 

 

Und gerade deswegen bin ich dem Clan so gerne gefolgt - in den Moloch der Stadt, in die Garküchen und Geschäftsgebäude, zum Wettermacher und an die Akademie und war mir immer bewusst, das der nächste Schritt mein letzter sein könnte. Das Leben als Mitglied des Kaulclans ist hochgefährlich. Oftmals stumpfe ich ab, wenn der Tod zum Alltag der Geschichte gehört, da die Tode oftmals nur eingesetzt werden, um die Aufmerksamkeit und den Puls des Lesers künstlich in die Höhe zu treiben. Hier beklagte ich jeden Tod, da er sich in die Geschichte einfügte. Der Clankrieg ist brutal, das Buch erwachsener, als ich es erwartet hätte - und das alles wird von der Autorin wunderbar zusammengefügt. 

 

Was bedeutet es nun, ein Grünblut zu sein? Nun auf keinen Fall Zaubersprüche vor sich hinzu murmeln - Ein Grünblut zu sein, befähigt die Angehörigen Jade zu tragen, die besondere physische Kräfte verleiht. Lee verrät nicht allzu viel über diese genetische Kraft - sie zeigt sie aber umso öfter in Kämpfen, die mich an die Material Arts Kämpfe in den asiatischen Filmen erinnert haben. Großes Kino von der ersten Seite an. 

 

Vor mir hat sich allerdings das letzte kleine Körnchen über viele Seiten versteckt. Freches Körnchen! Erst auf den letzten 100 Seiten hat es mich plötzlich von hinten angesprungen, mich aus der Bahn geworfen und richtig tief mit dem Finale mitfühlen und mitleiden lassen. Fonda Lee lässt einige Geheimnisse ungeklärt - und ich brenne darauf, sie in den nächsten Bänden zu lüften.