Rezension

Familien sind wie Bäume

Das Flüstern der Bäume - Michael Christie

Das Flüstern der Bäume
von Michael Christie

Bewertet mit 5 Sternen

Trotz anfänglicher Einstiegsschwierigkeiten ein Buch welches mich berührt und begeistert hat. Familien sind wie Bäume. Verwurzelt.

2038, die Welt hat kaum noch Bäume und die Luft ist voller Staub, wirklich gute Möglichkeiten frische Luft zu atmen, gibt es nicht. Jake arbeitet in Kanada, auf der Greenwood Insel, einer der letzten Rückzugsorte für Touristen um Bäume zu erleben, um frische Luft zu atmen. Doch dann taucht der Ex – Verlobte von Jake auf und behauptet die Insel würde rechtmässig ihr gehören....und Jake beginnt eine Reise in die Vergangenheit, zu den Bäumen, zu der Greenwood Familie und ihre Liebe zum Wald.

„Man hört heutzutage viel Gerede über Stammbäume und Wurzeln und Blutlinien und dergleichen, so als wäre eine Familie eine ewige Tatsache, eine durch unvordenkliche Zeit immer weiter emporstrebende Verästelung. In Wahrheit aber sind alle Familienlinien von der höchsten bis zur niedrigsten irgendwo enstanden, an irgendeinem bestimmten Tag. Selbst die größten Bäume müssen einmal hilflos im Wind kreiselnde Samen gewesen sein und dann Schösslinge, die sich nur zaghaft aus dem Boden schieben.“ (Seite 253)

Ich konnte mir zu Beginn nicht vorstellen wie ein Autor Bäume, den Wald, das ganze grüne Leben mit einer Familie verbinden möchte bzw. in wie weit ihm das gelingt. Und doch finde ich dass dieses Buchzitat sehr gut zum Allgemeinbild des Buches passt.

Der Einstieg fiel mir etwas schwer. Die Sprache und die Ausgangssituation waren etwas „holprig“, aber als würde jemand einen Schalter umlegen waren ich plötzlich mitten zwischen den Familienmitgliedern von Greenwood und ihre Leidenschaft für die Bäume und die Wälder.  Der Autor besitzt im Ganzen einen sehr bildhaften Schreibstil, kann die einzelnen Epochen wunderbar hervorheben und auch seine Recherche und sein Wissen um Baum und Wald haben mich begeistert.

Die Aufmachung mit den Jahresringen, das Cover, die allgemeine Gestaltung nimmt einen schon gefangen und begeistert.

Wir haben das Jahr 2038 indem es kaum noch Bäume und saubere Luft gibt, hier lernen wir Jake kennen. Sie hat ein hartes Los, aber sie lebt für ihren Job und kümmert sich fast schon liebevoll um die Bäume.

Wir reisen in das Jahr 1974, 2008, 1908,1934. Dies folgt nicht der zeitlichen Chronologie sondern sie folgt den Familienmitgliedern der Greenwoods. Es ist ein aufmerksames Lesen nötig, schnell würde man den roten Faden sonst verlieren. Durcheinander bin ich persönlich nie gekommen, auch wenn natürlich einige Namen auf einen zukommen. Die Hauptcharaktere sind, neben Jake, die Brüder Harris und Everett Greenwood.

Beide könnten unterschiedlicher nicht sein, der eine ist den Bäumen aus Liebe verfallen, der andere eher aus Profit.  Und doch halten sie zusammen, unterstützen sich und müssen Schicksalsschläge und Meinungsverschiedenheiten hinnehmen, getrennte Wege gehen die sie doch wieder zusammenführen könnten.  Vieles ist zu Beginn im Dunkeln, es entstehen unglaublich viele Fragezeichen die sich aber, weitgehend, alle aufklären werden. Manches bleibt im Dunkeln, aber dies ist nicht schlimm, so kann sich jeder seine eigene Geschichte weiterspinnen, in einer Familie kann und muss nicht immer alles aufgeklärt werden.

Die Charakterzeichnungen sind dem Autor äussert gelungen, sie haben mich überzeugt, überrascht, wütend gemacht, ich habe sie geliebt, gehasst und mit ihnen gelitten. Die Epochen und Geschehnisse der einzelnen Jahre sind perfekt an die Geschichte und die Protagonisten angepasst, der Autor beweist hier wirklich ein Händchen für ein stimmiges Bild.

Familie und Bäume, Menschen und Wälder, es hat gepasst, es hat einen Sinn ergeben, der Autor konnte beide Bilder, die nicht unterschiedlicher sein könnten, auf den ersten Blick, zusammenfügen. Denn jede Familie hat ihre Wurzeln, es kommen neue hinzu, andere verlassen uns.  Eine Familie ist oft „bunt“ zusammengewürfelt und doch bleibt sie oft auch verbunden, trotz verschiedener Ansichten und Richtungen.

Eine Hommage an die Familie, an die Wälder und wie wir doch verbunden sind. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten kann und möchte ich dieses Buch unbedingt weiterempfehlen.