Rezension

Familienbande

Wie wir gehen - Andreas Neeser

Wie wir gehen
von Andreas Neeser

Bewertet mit 3.5 Sternen

Wie prägen Eltern ihre Kinder? Was heißt es, sich von seinen Eltern zu lösen? Andreas Neeser nimmt mit seinem Buch „Wie wir gehen“ vier Generationen einer Familie in den Blick.

Vier Generationen bedeuten auch vier Antworten auf das, was die Beziehung zwischen den Generationen ausmacht. Vier Generationen: das sind Gottlieb, Johannes, Mona und Noelle.

Der Großvater, Gottlieb, kommt gerade so über die Runden, für seinen Sohn Johannes zeigt er nur wenig Interesse. Johannes muss mühsam lernen, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Und es gelingt ihm. Selbst sucht er sich einen Ausbildungsplatz, er wird zu einem Kämpfer, dem das Ablösen vom Elternhaus gelingt. Das macht ihn beinahe zu einem Helden des Buches, wäre da nicht Mona, seine Tochter, die sich immer mehr von ihm entfernt. Erst Johannes‘ Krebserkrankung bringt sie dazu, sich mit ihrem Vater und seinem Leben näher zu beschäftigen, bevor es nicht mehr geht.

Dann ist da noch ihre Tochter Noelle, die das Verhalten ihrer Mutter wiederum sehr kritisch hinterfragt und ihr vorwirft, dass ihre Arbeit für Flüchtlinge nur ein Wiedergutmachungsversuch sei.

Neeser erzählt aus dem Leben dieser vier Generationen collagenhaft. Es sind Erzählfäden, die immer wieder aufgegriffen werden, die allerdings nie zu einem Ende geführt werden. Es sind vielmehr die vielen losen Enden, die die Erzähltechnik dieses Romans ausmachen. Fragen werden aufgeworfen, nicht beantwortet. Es sind die unfertigen Leben, die hier präsentiert werden.

Für mich hat das Buch zu viele solcher losen Enden, zu viel was nur aufgegriffen und nicht ausgeführt ist. Nichts ist zu Ende erzählt. Am Ende fällt der Vorhang, und alle Fragen sind noch offen. 

Ich will aber nicht verhehlen, dass das Buch starke Momente hat. Etwa wenn der Flüchtling Salim all die Bilder, die er in Syrien gemalt hat, in Deutschland noch einmal malt, um überhaupt in der Gegenwart anzukommen. Denn „eine Auseinandersetzung mit dem, was er heute war, schien ihm undenkbar ohne das, was ihn dahin gebracht hatte.“ Um die eigenen Wurzeln geht es nicht nur Salim, es ist das Grundthema des ganzen Buches.

Schade, dass sich der Roman dabei zu sehr verliert. „Und jetzt weiß ich auch nicht weiter“ lautet der letzte Satz des Buches. Es ist ein Satz, der mehr über den postmodernen Erzähler verrät als über Mona, die ihn sagt. Auf dieses unfertige Erzählen muss man sich bei „Wie wir gehen“ einlassen können.