Rezension

Familienbande

Wir werden fliegen -

Wir werden fliegen
von Susanne Gregor

Bewertet mit 4 Sternen

In diesem Buch von Susanne Gregor begegnen der Leserschaft wieder die Geschwister Alan und Miša, die auch schon in dem Vorgänger „Das letzte rote Jahr“ das Personal waren. In „Wir werden fliegen“ behandelt die Autorin die Thematik des Ankommens, denn ihre Protagonisten sind auf der Suche. Und dies liegt nicht allein an der Tatsache, dass die Charaktere aus der Slowakei, aus dem verschlafenen Städtchen Žilina stammen, ihre Plätze in Wien und Berlin suchen, sondern dies ist auch in zurückliegenden Konflikten ursächlich. Und so beschäftigt sich dieses leise Buch nicht nur um den Wandel des Wohnorts, um den kulturellen Wechsel, sondern hauptsächlich geht es um die seelischen Verbandlungen, die wir Menschen in unserer Familie schon mitbringen und die wir uns durch die Suche von Partnern und Freunden neu erschaffen. Denn nicht nur Alans und Mišas Sichtweisen erörtert dieses Buch, denn so würde dieser Roman dann vielleicht irgendwann stagnieren, auch die Sichten und Konflikte der Mutter Nini und der Großmutter Anikó, sowie Alans Betrachtung durch seine Partnerin Nora und auch deren eigene Sozialisation und Mišas englischer Partner Joe, ein vermeintlicher Halt für Miša, aber auch ein Mensch mit eigenen Zielen runden durch ihre Sichten erst dieses Buch ab, ermöglichen einen abschließenden und vollmundigen Blick auf die Charaktere, erzeugen ein stimmiges Bild.

 

Susanne Gregor erzeugt mit „Wir werden fliegen“ einen leisen, aber in seiner Gesamtheit einen stimmigen und sehr menschelnden Roman, der zeigt, dass nicht die Migrationsthematik allein dasteht, sondern dass es immer ein Konglomerat aus verschiedenen Sichten, verschiedenen Konflikten, verschiedenen Bindungen, verschiedenen Wünschen ist, welche uns Menschen vorantreibt. Denn diese Erfahrungen insgesamt lassen uns handeln oder eben nicht. Weil man manchmal Zeit zum Verarbeiten braucht und eigentlich eine helfende Hand von außen bräuchte, aber diese helfende Hand eben die richtige Hand sein muss. Denn nicht jede Hand darf zu uns vordringen. Manche Hände wehren wir auch fauchend ab. Und über diese Zeichnung der Charaktere in ihrem Buch gelingt der Autorin ein stimmiger Blick auf eine Familie und die Interaktionen in dieser. „Wir werden fliegen“ ist ein kühl erzähltes, aber dennoch warmherziges und sehr menschelndes Buch, welches ich recht gern gelesen habe, welches Einblicke ins Menschsein ermöglicht. 

 

Schade, dass ich „Das letzte rote Jahr“ nicht schon vorher konsumiert habe. Aber gut, man kann nicht alles haben und lesbar war dieses Buch hier allemal. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich die Vorlektüre zum Verständnis dieses Romans hier gebraucht hätte.