Rezension

Familiendrama und Thriller

Blutsbande -

Blutsbande
von Nicci French

Bewertet mit 4 Sternen

Kurz vor Weihnachten 1990: Charlie erscheint nicht zur Geburtstagsfeier ihres Ehemannes, doch außer ihrer 15-jährigen Tochter Etty macht sich niemand Sorgen um die freigeistige, impulsive Frau. Wenig später wird die Leiche eines Mannes im Fluss gefunden und Charlie bleibt verschwunden. Die Ermittlungen zu beiden Fällen laufen ins Leere. Etty, ihre drei Brüder und ihr Vater driften auseinander: Verzweiflung, Wut und Spekulationen über die Bedeutung der gefundenen Hinweise prägen die Stimmung in dem Haus, das ohne die Mutter kein Zuhause mehr ist. 

Frühling 2022: Etty und ihre Brüder entrümpeln das Elternhaus, weil der an Demenz erkrankte Vater ins Pflegeheim muss. Doch beim Ausmisten wird die Vergangenheit wieder lebendig, verdrängte Konflikte kommen an die Oberfläche, dann wird die Tragödie von 1990 auch noch in einem Podcast zerpflückt und der verwirrte Vater verhält sich beim Einzug ins Pflegeheim äußerst seltsam... 

Zudem gibt es eine weitere Leiche und da sich die Kleinstadtpolizisten während der 1990er Ermittlungen nicht mit Ruhm bekleckert haben, bekommen sie diesmal Unterstützung aus London. Diese wird allerdings mit blindem Aktionismus, Stümperei sowie unkollegialem Verhalten konfrontiert. Für mich wird “Blutsbande” von da an vom Familiendrama zum Thriller, denn jetzt überschlagen sich die Ereignisse und der Nervenkitzel-Faktor steigt stetig an! 

“Blutsbande” ist von Anfang an atmosphärisch und unheilvoll, ich finde aber, dass sich die Schilderungen rund um das Verschwinden von Charlie ziehen. Für mich wurde die Handlung erst nach mehreren Kapiteln interessant: Anspielungen auf Ehebruch, rätselhafte Entdeckungen, eine schwerwiegende Lüge sowie das Auftauchen einer Leiche machten mich schließlich neugierig auf den weiter Verlauf der Geschichte! 

Für meinen Geschmack geht die Handlung immer wieder in Nebensächlichkeiten unter und die Spannung kommt spät auf. Es gibt viele Charaktere, die für mein Empfinden alle viel Raum bekommen, sodass ich von allen einen vagen, aber von niemandem einen klaren Eindruck hatte. Mit der Ermittlerin aus London änderte sich das für mich - sie wird innerhalb weniger Kapitel prägnant skizziert und für sie brachte ich automatisch Empathie auf. Das letzte Drittel, der atmosphärische Schreibstil sowie der herrlich britische Humor machten “Blutsbande” für mich lesenswert und ich bin froh, dass ich drangeblieben bin!