Rezension

Familiengeschichte im politischen Milieu

Heimatsterben -

Heimatsterben
von Sarah Höflich

Bewertet mit 4.5 Sternen

Familienoberhaupt Tilde hatte den zweiten Weltkrieg mit einem Säugling an der Seite überlebt, doch nun ist ihre Zeit gekommen. Als sie stirbt, bittet sie ihre Enkelin Hanna auf deren Schwester aufzupassen. Aus gutem Grund, denn Hannas Schwager hat große politische Pläne.

Familiengeschichten, dazu noch in einem politischen Kontext eingebettet, sind genau mein Ding, darum war schnell klar: Das Buch muss ich haben und ich kann schon direkt verraten, dass das Buch meinen Erwartungen weitgehend entsprach.
Der Schreibstil ist rund und somit lässt sich das Buch fast in einem Rutsch lesen, zumal man sich immer wieder fragt, wohin alles führen wird. Die Protagonisten, allen voran Hanna sind schnell eingeführt und man hat direkt ein Bild vor Augen. Die Familienkonstellationen werden gut nachvollziehbar geschildert – notfalls kann man ja auch mal bei dem optisch schön in Szene gesetzten Stammbaum nachsehen. Manche Charaktere bleiben etwas blasser, aber ihre Beweggründe werden offensichtlich und darauf kommt es letztlich an. Wie alles ineinandergreift fand ich nachvollziehbar und vieles auch ein wenig absehbar, aber das tat der Geschichte keinen Abbruch.

Überrascht hatte mich ein wenig, dass die Geschichte in der Zukunft spielt, aber das hat auf jeden Fall einen Reiz, denn aktuelle Entwicklungen können somit „weitergesponnen“ werden und es zeigt sich, was passieren könnte. Dabei sind die Entwicklungen teils wirklich sehr dramatisch, aber nicht völlig utopisch, wenn man sich mal so manches genauer ansieht und gewisse Tendenzen in mancher Bevölkerungsschicht mal genauer unter die Lupe nimmt. Und was das Buch auch eindrücklich zeigt: Man kann seine moralischen Vorstellungen haben und doch in Geschichten reingezogen werden, die den eigenen Vorstellungen eigentlich widersprechen. Und wenn man dann einmal drin hängt….

Die Familiengeschichte ist konstant Thema, aber immer und immer wieder wird das politische System gekonnt eingebunden und die Geschichte vorangetrieben, teils mit Rückblicken in die jüngere Vergangenheit, teils bis zurück in den zweiten Weltkrieg und die Flucht Tildes. Dann gibt es auch noch weitere Themenkomplexe, wie Homosexualität, was macht die Macht mit Menschen, wie arbeitet der Wiederstand und so vieles mehr – was in Summe ein gutes, stimmiges Gesamtbild ergibt. Wenn schon die Rede von „Bild“ ist, dann muss ich auch mal eine Ausnahme machen und etwas zu Cover sagen: Es passt extrem gut und auch wenn es sicher erst einmal nicht ganz so schön wirkt – es hat seinen Reiz.

Es ist ein fiktionales Werk, ein Gedankenspiel, wie sich unsere nähere Zukunft entwickeln könnte, dass ich sehr gerne weiterempfehle und mich sicher immer wieder zum Nachdenken anregen wird.