Rezension

Familienschicksale und andere Absurditäten

Das Auge - Richard Laymon

Das Auge
von Richard Laymon

Bewertet mit 4 Sternen

Melanie Conway war elf Jahre alt, als es zum ersten Mal geschah. Sie hatte eine Art Vision, in der sie ihre Mutter sterben sah, während sie selbst in der Ferne von heftigen Krämpfen ergriffen wurde. Als es nun wieder passiert, geht sie zunächst vom Tod ihres Vaters aus. Zeitgleich wird allerdings auch ihrer Schwester übel mitgespielt. Da weder Vater noch Penelope telefonisch erreichbar sind, nimmt Mels Freund Bodie die achtstündige Fahrt von Phoenix nach Brentwood, Kalifornien, in Kauf, um die Lage vor Ort zu checken. Bei Pen angekommen, erfahren sie von obszönen Anrufen und der großen Angst, der Fremde könnte sich womöglich gewaltsam Zutritt zur Wohnung verschaffen. Also alles halb so schlimm? Nicht wirklich, denn kurz darauf folgt eine Nachricht aus dem Beverlywood Medical Center, dass Whitman Conway einen schweren Unfall hatte. Ein Sportwagen erfasste ihn beim Überqueren der Straße, der Fahrer flüchtete. Whit liegt nach mehreren Knochenbrüchen und einer schweren Kopfverletzung im Koma. Geht es nach Melanie, gibt es dafür nur eine Erklärung: Die weitaus jüngere Joyce Conway habe es nur auf das Geld des Vaters abgesehen und mache gemeinsame Sache mit Harrison Donner, Whits Kanzleipartner. Es sei unverkennbar, dass die beiden eine Affäre sowie Lebensversicherung und Erbe fest im Blick haben. Tatsächlich ist Donners Weste nicht blütenrein und auch Joyces Verhalten scheint nicht ohne … Melanie schwört Rache!

RICHARD LAYMON erzählt von einer typisch-amerikanischen Familie, in der erwartungsgemäß nicht alles rund läuft: Nachdem die Mutter früh stirbt, schnappt sich eine deutlich jüngere Frau den Vater als gute Partie. Der kleinen Tochter ist sie natürlich ein Dorn im Auge. Ebenso die ältere Schwester, die nicht nur besser aussieht, sondern auch sämtlichen Männern den Kopf verdreht und ihr den Freund ausspannt. Die Beziehungen untereinander könnten wahrlich besser sein. Nichtsdestotrotz ist Blut dicker als Wasser. Mit der Vision vom vermeintlichen Tod eines Familienmitglieds, erhält DAS AUGE einen übersinnlichen Touch. Im Großen und Ganzen ranken fünfundzwanzig Kapitel, in dritter Person Singular aus verschiedenen Perspektiven verfasst, um allerhand Missverständnisse, wilden Theorien und falschen Schlussfolgerungen sowie kleinen Überraschungen. Der Autor lässt kein Detail aus, was den Leser eng ans Geschehen bindet. Wer LAYMON kennt, weiß allerdings um seine Vorliebe für sekundäre Geschlechtsmerkmale der Frauen, die auch in diesem Buch nicht fehlen. Eine frühere Vergewaltigung kommt zur Sprache und ab und an spritzt Blut. Darüber hinaus bietet der Roman spannende Unterhaltung mit einem Ende, das sämtliche Ereignisse ad absurdum führt.

DAS AUGE erscheint als handliches Taschenbuch bei Heyne Hardcore.
Aber Achtung: Das Cover, an sich nett gestaltet, will nicht so ganz zur Handlung passen, ebenso wenig wie die Inhaltsbeschreibung auf der Rückseite des Buches!
Ein Werksverzeichnis der von RICHARD LAYMON im Heyne Verlag erschienen Titel, inklusive persönlicher Anmerkungen des Autors hier und da, rundet den Titel ab.

Fazit:

DAS AUGE ist kurzweilige Unterhaltung anno 1992. Einfach, ruhig – eher Thriller, denn Horror – aber summa summarum ein echter LAYMON mit Pfiff.