Rezension

Fantasievoll, beklemmend, aktuell und spannend zugleich

Cryptos - Ursula Poznanski

Cryptos
von Ursula Poznanski

Bewertet mit 4 Sternen

Jana designt Welten. Sie entwirft virtuelle Realitäten, in der sich die Menschen wohl fühlen. Ihre Lieblingswelt ist Kerrybrook, wo eine grüne Idylle mit Schafen, Pubs und eine frische Brise vom Meer die Einwohner verwöhnt. Abseits der Virtualität sieht es anders aus: Drückende Hitze, lebensbedrohliche Katastrophen und ein gesellschaftsfeindliches System haben die Menschheit aus der Realität verdrängt.

"Cryptos" ist ein Jugendthriller von Ursula Poznanski, der wie gewohnt mit aktuellen Trends aufwartet und als dystopischer Geniestreich der Autorin zu verzeichnen ist. 

Ich mag die Jugendbücher von Ursula Poznanski gern. Manche gefallen mir mehr, andere weniger. Doch mit ihren Ideen und der Verarbeitung aktuellen Geschehens hat mich die Autorin bisher immer vortrefflich unterhalten. Mit "Cryptos" wagt sie sich erneut in die Richtung dystopischer Jugendromane, was ihr meiner Ansicht nach am besten liegt. 

In "Cryptos" veranschaulicht die Autorin eine vom Klimawandel verunstaltete Welt. Die Menschen sind in die Virtualität geflohen. Das echte Leben hat Poznanski zur unangenehmen Nebenwirkung dezimiert. Damit spricht sie die gegenwärtige Bedrohung durch Naturkatastrophen, Wetterveränderungen und Umweltschäden an. Gleichzeitig bindet sie eine höhere Stufe unserer Cyberaktivitäten oder virtuellen Entwicklung ein, und spinnt daraus ein faszinierendes wie bedenkliches Zukunftsszenario.

Während unsere Körper in weltalltauglichen Kapseln liegen, lassen wir uns als virtuelle Version auf alternative Realitäten ein. In diesen Existenzen können wir fast alles sein, und hochintelligente Designer sorgen dafür, dass uns nicht langweilig wird.

Protagonistin Jana ist eine dieser Entwickler. Sie hat unter anderem die grüne Idylle von Kerrybrook entworfen und wacht sorgsam über das Geschehen in ihrer Welt. Als ein merkwürdiger Mord geschieht, entgleitet ihr die Übersicht. Sie muss handeln. Denn plötzlich steht ihr eigenes, echtes Leben am Spiel.

Die Handlung an sich ist solide ausgearbeitet, auch wenn sie von sich aus nichts Neues zu bieten hat. Jana geht dem Verbrechen in Kerrybrook auf den Grund und stößt dabei auf ein Geheimnis, das das gesamte System in Frage stellt. 

Neben der beklemmenden Realität haben mich die unterschiedlichen Welten fasziniert. Ursula Poznanski hat sie detailliert gestaltet, fantasievoll ausgestattet und damit ein extravagantes Leseerlebnis kreiert. Gemeinsam mit Protagonistin Jana ist der Leser in diversen Welten unterwegs, was für mich ein großes Vergnügen war. Am liebsten hätte ich mehr dieser virtuellen Existenzen kennengelernt.

Kleiner Wermutstropfen ist, dass die Hintergründe der dystopischen Realität nicht komplett logisch sind. Ursula Poznanski hat viele Fragen - meinem Gefühl nach bewusst - unbeantwortet gelassen. Ich denke, es liegt daran, dass der Roman ansonsten zu komplex geworden wäre und die dynamische Umsetzung darunter gelitten hätte. 

Trotzdem hat mir der Ausflug nach "Cryptos" sehr großen Spaß gemacht. Ich war von diesem Zukunftsszenario schockiert und fasziniert zugleich. Die Einsamkeit der Kapsel hat mich abgestoßen. Im Gegensatz dazu habe ich von den Möglichkeiten der virtuellen Realitäten nicht genug bekommen. Ich hätte sie am liebsten alle der Reihe nach ausprobiert. 

Für mich ist es eines der besten Bücher, welche Ursula Poznanski bisher veröffentlicht hat. Fantasievoll, beklemmend, aktuell und spannend zugleich, hat sie erneut ein Jugendbuch geschaffen, das unterhaltsam zu lesen ist und dennoch aufgrund des ernsten Hintergrunds zum Nachdenken anregt. Gerne mehr davon!