Rezension

Fantasievolle, historische Schnipseljagd trifft wunderbaren Familienroman

Die Monster von Templeton - Lauren Groff

Die Monster von Templeton
von Lauren Groff

Bewertet mit 5 Sternen

Aus der Vorbemerkung der Autorin:
„Es gab da einen Winter, als ich bereits erwachsen war und sehr weit weg von zu Hause, in dem ich jede Nacht wehen Herzens aufwachte, nach quälenden Träumen von meinem stillen kleinen See. Ich vermisste meine Heimatstadt, so wie man einen Menschen vermisst. Die Idee zu diesem Buch wurde in jenem langen, dunklen Winter geboren; ich beschloss, eine Liebeserklärung an Cooperstown zu schreiben.“

Aus Cooperstown hat Lauren Groff in diesem Roman die kleine Stadt Templeton gemacht, gelegen am Flimmerspiegelsee, der ein stadteigenes Seeungeheuer beherbergt. Die junge Frau, die nach einer verzwickten Beziehungskiste aus der Großstadt Philadelphia nach Templeton heimkehrt, ist Wilhelmina „Willie“ Upton. In Philadelphia studiert sie Archäologie und ist dabei, ihre Doktorarbeit zu schreiben. Nun aber sind Dinge passiert, die sie -völlig verzweifelt- nach Hause geführt haben. Zu allem Überfluss beichtet ihre Mutter Vi ausgerechnet jetzt, dass Willie nicht – wie sie ihr über 20jähriges Leben lang geglaubt hat – der Sprössling einer Hippiekommune ist (Vater unklar), sondern dass ihr Vater aus Templeton stammt. Mehr erfährt Willie jedoch nicht von ihrer Mutter und so beginnt sie, in der Geschichte Templetons zu wühlen und – wie es ihr Job als Archäologin oft mit sich bringt – einigen Geheimnissen und Schätzen auf die Spur zu kommen.

Bei dieser Suche nach den eigenen Wurzeln begleiten wir Willie nun, und dabei erfahren wir Erstaunliches, Wissenswertes, ja sogar Schockierendes aus der Zeit seit Gründung der Stadt im 18.Jahrhundert. Hierbei stelle man sich vor, man befinde sich inmitten einer Ahnengalerie (die es im Hause Upton - dem Averell Cottage- tatsächlich gibt, denn die Uptons sind Nachfahren der Gründer). Während man also in dieser Ahnengalerie von sämtlichen Vorfahren „beobachtet“ wird, kommt der eine oder andere zu Wort und erzählt seine Geschichte. Zwischendurch tauchen verborgene Briefe auf oder aber ein gut behütetes Tagebuch gibt Aufschluss über eine vergangene Zeit. Und so schließt sich irgendwann vielleicht ein Kreis. Vielleicht wird aber auch alles bislang Geglaubte auf den Kopf gestellt. Vielleicht ist die Erkenntnis am Ende überhaupt nicht befriedigend. Um das alles zu erfahren, ist es am besten -und außerdem ganz besonders aufregend-, sich mit Willie auf die Spurensuche in diese turbulente Vergangenheit zu begeben und währenddessen an ihrem aktuellen Leben Teil zu haben, das in der Zwischenzeit eine interessante Richtung einschlägt.

Ach und dann ist da auch noch Flimmy – das liebenswerte Seeungeheuer. Und andere etwas unheimliche Erscheinungen hier und da sorgen ebenfalls für einen Hauch Magie. Allerdings: einen Gruselfaktor - wie eventuell der Buchtitel vermitteln könnte - gibt es nicht in diesem Roman, allenfalls ein leichtes Frösteln ;)

Lauren Groff erzählt meisterhaft und unheimlich fantasievoll. Bereits auf der ersten Seite hat sie mich „gekriegt“. Ich bin von Anfang an mitten im Geschehen gewesen und habe gebannt nach jedem weiteren Schnipsel aus Willies Vergangenheit mitgesucht, konnte das Buch kaum aus der Hand legen, bis nicht endlich ein Ergebnis auf dem Tisch liegt. Dieser Mix aus Historie, Spannung, Fantastischem und Familienroman hat es mir angetan und mich bis zum Schluss in seinen Bann gezogen. Willie ist mir sehr ans Herz gewachsen, aber auch die anderen Einwohner Templetons sind sehr authentisch dargestellt und alles in allem liebevolle Mitmenschen. Man merkt ganz deutlich die Liebe der Autorin zu ihrer kleinen Heimatstadt Cooperstown, die ja für Templeton in diesem Roman „Modell“ steht. Lauren Groff lässt Gegenwart, Vergangenheit und Fantasie ineinander verschmelzen, so dass man als Leser die Grenzen nur noch wage wahrnimmt. Illustrationen, Fotos der Ahnen und regelmäßig überarbeitete Stammbäume der Gründerfamilie Temple runden dieses Lesevergnügen ab. Besonders die Stammbäume geben hier und da außerdem eine kleine Gedankenstütze.

Fazit: Familienroman trifft Historie trifft Spannung trifft Fantasie trifft mitreißende & einfühlsame Sprache - ich liebe dieses Buch! Es hat bei mir einen Nerv getroffen, wie es nur selten passiert. Trotz vieler wunderbarer Bücher, die ich in diesem Jahr schon gelesen habe, ist dieses Buch mein Highlight – es hat mich regelrecht verzaubert und ich bin richtig traurig gewesen, als ich es nach 500 Seiten zugeklappt habe. Lest es!!!!

(S.135)
„Als ich noch klein war, hatten Bücher mir als Schutzschild gedient. Wenn mir dann mitten beim Lesen mein Kummer wieder einfiel, hatte er stets an Bedeutung verloren. Mein körperliches Leben war unerheblich; was zählte, war das faszinierende Treiben in meinem Kopf. Zu Büchern zurückzukehren war, wie wenn man nach Hause kommt.“

Kommentare

katzenminze kommentierte am 20. August 2016 um 17:26

Oh, das hört sich echt schön an! Auch wenn man das dem Buch auf den ersten Blick gar nicht zutraut. Aber wenn ein Seeungeheuer namens Flimmy drin vorkommt, kann es gar nicht schlecht sein. :D

Also: Herzlichen Glückwunsch zum Jahreshighlight liebe Bianca. <3 Aber meine WuLi ist gerade nicht so gut auf dich zu sprechen...

Naibenak kommentierte am 22. August 2016 um 13:45

Oh dankeschön Minzi :-) Und... was ist denn nur mit deiner WuLi los???? hahahaha....kommt mir bekannt vor ;-)))

LySch kommentierte am 18. März 2017 um 09:04

Meine WuLi jault auch bei jedem neuen Buch, das ich mir vormerke, verzweifelt auf! :D
Ihr habt aber auch immer so tolle Rezis und Bücher, wie soll man da widerstehen? ;)

LySch kommentierte am 18. März 2017 um 09:01

Oh, das Buch hatte ich mal bei einer ME-Aktion in der Hand und fand es gleichzeitig ansprechend und abschreckend, weil es mir irgendwie zu "verrückt" erschien. Hab es dann leider nicht mitgenommen und bereue es nun sehr nach deiner Rezi! :D Die ist wirklich wunderbar und macht total Lust auf dieses Buch!