Rezension

Fantasievoller als Band 1 - weckt die Neugier und irritiert!

Das gefälschte Herz - Maja Ilisch

Das gefälschte Herz
von Maja Ilisch

Bewertet mit 4 Sternen

Tymur ist besessen. Oder? Lorcan kämpft für Tymur. Oder? Kevron wird mutig. Oder? Enid muss umdenken. Oder? Jeder hat seine eigenen Probleme und Pläne. Und jeder will überleben. Oder?

Bewertung:

Schon vor der eigentlichen Leserunde ging es mit der Autorin rege her. Uns wurde genaueres zu Band 1 erläutert und jegliche Frage, die wir hatten, beantwortet. Auch die Leserunde war sehr anregend. 

"Sag mir, warum du trinkst."
"Aus dem Grund, warum alle trinken", sagte er. "Um nicht mehr nüchtern zu sein. Und wenn du wissen willst, warum - frag meinen verdammten Bruder!"
"Was hat er getan, dein Bruder?"
"Hat sich abstechen lassen, das Arschloch", antwortete Kevron.
(Seite 262) 

Das Cover hat absoluten Erkennungswert zu Band 1. Hier weiß jeder sofort, dass es sich um Band 2 handelt. Die Farben sind diesmal rot/braun statt blau. Das zeigt aber dennoch die Gleichheit (liest sich unlogisch oder? Ich kann es nicht besser erörtern.) Das magische Zeichen dazu und das Bild an sich verbinden Band 1. Dieses Cover gefällt mir sogar noch besser als das von Band 1. Der Klappentext ist sehr einseitig gehalten; Tymur ist die Hauptrolle. Hier hätte ich mir einen kleinen Überblick über alle gewünscht, ein Update zu jedem sozusagen.

Der Prolog erinnert mich an den Beginn von Band 1; sehr poetisch und leicht kryptisch geschrieben.  Hier wird auch sehr deutlich, wie die Menschen sich ihre eigene Falle bauen, indem sie ihrer Furcht Nahrung geben. Zwei Lebewesen, die aneinander vorbei handeln ... sehr gut dargelegt. Ansonsten ist der Schreibstil sehr flüssig, aber weniger kryptisch. Diese Kombination finde ich sehr schön und auch passend.

In diesem Moment war es fast wieder wie früher - Tymur spielte sich ein bisschen auf, Kevron stellte sich ein bisschen an, und Lorcan saß dabei und dachte sich seinen Teil.
(Seite 191) 

Tymurs Einsamkeit kommt nochmal richtig spürbar rüber. Und das auch mit Damars Leben geknüpft, weshalb es nicht langweilig wird. Er ist nach wie vor arrogant, selbstverliebt und sogar noch fieser als zuvor. Von Beginn an wird der Leser irritiert; erzählt der Dämon oder Tymur? Ist Tymur wirklich besessen oder einfach ein bösartiger Mensch? Was genau will er? Kontrolle? Macht? Den Tod seiner Gefährten? Nach Hause? Irgendwie alles und wieder nichts. Diese Fragen begleiteten mich bis zum Ende der Geschichte und lies mich hin- und herraten. Die Autorin hat das gut konstruiert, man will einfach weiterlesen und mehr erfahren. Auf der Suche nach seinem Selbst, wütend er, wie er nur kann ...

Lorcan entwickelt sich wie die anderen weiter und die Beziehung zu Tymur wird auf eine harte Probe gestellt. Seine Disziplin und sein eiserner Wille, das Richtige zu tun, sind seine Wegweiser durch das gemeinsame Abenteuer.

Kevron zeigt hier mal, was er kann. Nicht nur saufen und im Elend suhlen, sondern strategisch denken und danach handeln. Gefällt mir sehr gut. Und bleibt trotz allem menschlich.

Enid regte mich wieder mit ihrer Oberflächlichkeit auf! Wie im Band 1 gehen ihre Kleider über alles! In Lebensgefahr? Ach, was soll's. Hauptsache gut aussehen. Furchtbar, das Weibsbild. Aber es ist trotzdem spannend, ihren eigenen Weg zu lesen.

"Ich habe die Kontrolle über mich, die allermeiste Zeit über, selbst jetzt. Aber wie kann ich mir dessen sicher sein? Indem ich kontrolliere."
(Tymur, Seite 198)

Ein paar tolle Wörter sind mir in die Augen gesprungen: Unzeit, ehrfurchtsschwanger, Stilett und das katerfreundliche Land. Sehr amüsant und cool!

Es wird zwischen den Zeilen mitgeteilt, dass Magie ausschließlich den Frauen vorbehalten ist. Das hat mich verwundert, wo doch so eine Macht gewöhnlich den Männern vorbehalten ist. Gibt ja nicht umsonst keinen richtigen Begriff für Frauen. Zauberin sagt man ja nicht, stattdessen Hexe. Aber ich denke , das ist hier so geregelt wegen der Schwesternschaft. In dieser Welt sind mal die Männer ausgeschlossen - auch mal schön. 

Die Autorin zeigt sehr schön, wie unsere Art zu reden nicht immer mit der Wirklichkeit Hand in Hand geht:

"Was für ein Nebel", sagte er mit ehrfurchtsschwangerer Stimme und wartete ab, wie der Krieger darauf reagierte. "Ich hoffe, ihr findet den Weg trotzdem? Mich schaudert bei der Vorstellung, dass wir uns hier verirren könnten ..."
Der Alfeyn sah ihn an mit irritiertem Blick. "Warum sollten wir den Weg nicht finden?", fragte er. "Wir kennen ihn. Er war niemals verloren."
"Aber der Nebel ...", versuchte Tymur es noch einmal.
"Es ist immer noch der gleiche Weg."
(Seite 50/51)

Ein Beispiel fällt mir ein: Immer diese Fragen wie "Würden Sie mich bitte durchlassen?" Da könnte der andere sagen "Ich würde gerne, aber ich will/kann nicht!" Eigentlich fragen wir da "Willst du mich bitte durchlassen?" Ist zwar im Buch Nebensache, aber mir gefallen solche Kleinigkeiten.

"Ich dachte nur, ich könnte ..."
"Was?", fragte Lorcan.
"Mir Mut antrinken." Tymur lachte verlegen.
"Wenn du es mit einem Dämon aufnehmen willst", sagte Lorcan, "ist flüssiger Mut das Letzte, was dir hilft."
(Seite 200) 

Die physischen Gesetze wie auch manches Verhalten sind sehr unrealistisch und ergeben keinen Sinn für mich. Vieles stellte ich Infrage, was ich aber aus spoilergründen nicht näher ausführen kann. Allerdings stolperte ich immer wieder über solche Handlungen und Gegebenheiten. Leider ist die Entdeckung der großen Endauflösung für mich ebenfalls aus den Haaren herbeigegriffen, was mich genervt hat. Die Kulisse konnte ich mir zum größten Teil gut vorstellen, nur gegen Ende hatte ich ein paar Fantasieschwierigkeiten. Es gibt zeitweise zwei verschiedene Handlungsstränge, die beide neugierig machen. Das Ende ist natürlich wieder offen, wenn auch nicht so schrecklich frustrierend offen wie der Vorgänger. Zum Glück.

 

Fazit:
Hier gibt es wahrlich viel mehr Fantasyelemente als im Band 1, was sehr wünschenswert für ein Fantasybuch ist. Die Charaktere entwickeln sich weiter und geben hin und wieder humorvolles von sich. Insgesamt hat es die Autorin geschafft, mich von Anfang bis Ende neugierig zu machen, aber auch wahnsinnig. Die teilweise unrealistischen Handlungen und unlogischen Gegebenheiten waren sehr unerfreulich und haben mich genervt. Alles zusammen hat es mir aber etwas besser gefallen als Band 1 und wird mit schwachen 4 Sterne bewertet.

Ich bin sehr neugierig auf Band 3 und hoffe, es kann mich genauso fesseln und neugierig machen. Oder noch mehr. 

"Wir sind nicht im Nirgendwo. Dies ist ein Irgendwo."
(Lorcan, Seite 170)

 

Ich bedanke mich herzlich beim Verlag, aber der größte Dank geht an die Autorin selbst, die unermüdlich im Einsatz für uns Leser in der Leserunde war und jede Frage und Unsicherheit ausgeräumt hat. :-D