Rezension

Fantastisch zeitgenössische Schauerliteratur für den Sommer, mit Witz und kölscher Lokalkolorit

Klunga und die Ghule von Köln - Adam Hülseweh, Ina Elbracht, Alexander Schmalz

Klunga und die Ghule von Köln
von Adam Hülseweh Ina Elbracht Alexander Schmalz

Bewertet mit 5 Sternen

Köln - Die Stadt der Ghule und anderer Kreaturen

Es beginnt mit einem Mord. Aber kann man einen Untoten überhaupt ermorden? Zumindest geben sich die Ghule von Köln alle Mühe, einen unbeirrbaren Vampir mithilfe von Schneidbrennern in Nichts aufzulösen.
Köln ist eine der weltweit seltenen Ghul-Städte und ihre Hüter sorgen dafür, dass das auch so bleibt. Der drohende Abriss der Riphahn-Oper stellt alle nichtmenschlichen Bewohner der Stadt vor eine Zerreißprobe und zwingt Anführer Klunga dazu, die gesamte Klaviatur seiner Fähigkeiten und Beziehungen bedienen zu müssen. Was lauert dort unten in den Betonfundamenten, tief in den Eingeweiden der Stadt? ... (Klappentext)

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"Die Hitze kommt und mit ihr der Schmerz. Schmerzen, wie er sie nie zuvor erlebt hat und wie er sie sich in den finstersten Albträumen nicht hätte vorstellen können. Es gibt keine Erlösung. Irgendwann wird es dunkel. Mit einem letzten schrecklichen Schmerzenshauch löst er sich auf und fällt in die Finsternis."
(S. 12)

Ghule haben ihren Ursprung in der persisch-arabischen Mythologie, doch diese leichen- und menschenfressenden Fabelwesen hielten durch die "TausendundeineNacht"-Märchen weltweit Einzug. Vor allem durch die Schauerliteratur von H.P. Lovecraft wurden diese Dämonen weitgehend bekannt und heute spielen sie auch in diversen Filmen und Games eine Rolle.
Darin kommen diese Kreaturen nicht allzu gut weg. Spitze Fangzähne und allgemein schreckliches Aussehen sind ebenso ihr Markenzeichen, wie der bestialische Leichengeruch der ihnen anhaftet. Böse und gierig nach Menschenfleisch sind sie und sie warten mit dem Fressen nicht unbedingt bis ihr Opfer tot ist. So kennt man diese dämonischen Wesen.
Doch was wäre, wenn diese Mythen überhaupt nicht der Wahrheit entsprechen? Wenn sich Ghule unbemerkt unter uns befinden ... z.B. in Köln? Und was wäre, wenn diese Ghule intelligente Wesen wären, ganz und gar nicht blutrünstig - zumindest nicht immer?

Diese neuartige Form von Ghulen kreierte Adam Hülseweh und dies auf sehr amüsante, jedoch nicht weniger blutrünstige Art und Weise.
Bei ihm herrscht ein Clan von Ghulen in den Untergründen Kölns und sie sind dafür zuständig, dass nicht irgendwelche Wesen über die Stränge schlagen und wahllos mordend durch ihre Stadt ziehen. Falls so ein Wesen auftaucht, wird es natürlich auf sehr kreative Weise bestraft, gefoltert und um die Ecke gebracht.

Klunga ist das Oberhaupt dieses Clans und ist ein Ghul-Urgestein, wurde er doch im alten Persien geboren, verlore 590 v. Chr. sein Leben und gleichzeitig begann sein Leben als Ghul. Sein Schicksal führte ihn nach Köln und seither lebt er in dieser Stadt und hat ein Auge darauf.

"Doch damit war Schluss, als er sich Dreck und Staub aus den Augen rieb und im Schutz der Nacht aus einem noch nicht zugeschütteten Grab kletterte. Das war keine einfache Angelegenheit, denn das Erdloch war tief und er beileibe nicht der einzige, den sie hineingeworfen hatten."
(S. 33)

Die Geschichte Kölns, der Vampire und die Klungas sind stark miteinander verwoben und reicht bis in die Gegenwart. Doch für nichtmenschliche Wesen sind schwere Zeiten angebrochen. Einige wollen die Stadt verlassen, manch geschlossener Bund ist gefährdet und uralte gefährliche Kreaturen erheben sich aus den Tiefen Kölns, und damit sind nicht Troggs oder Ghule gemeint. Im Sommer 2009 scheint es mit der Ruhe vorbei zu sein. Vor allem in den Katakomben unterhalb der Riphahn-Oper regt sich etwas, etwas was auf alle Zeiten darunter vergraben war und dort bleiben sollte. Dies müssen Klunga und sein Clan verhindern, denn sonst wird die Stadt Köln niemals mehr so sein, wie sie einmal war. 

Hier reist man mit Klunga durch die Zeiten und erfährt wie er zum Ghul wurde, wie er von einem Troll verkauft wird, mitunter für die Entstehung der Vampire verantwortlich und sein Hass gegenüber diesen Kreaturen äußerst verständlich ist und wieso er die Stadt Köln nicht verlassen kann.
Man lernt Ghule aus dem Clan kennen, wie z.B. Jimmy, der in einer Punkrock-Band spielt, Igor, der die Fähigkeiten hat nicht nur Blut sondern auch Lügen zu riechen, oder einen Ghul mit Alzheimer, der ständig vergisst ein Ghul zu sein und davon überzeugt ist, dass man das Jahr 1813 schreibt.

">>Bedauerlicherweise hat er sich mal wieder in der Hahnentorburg verschanzt. Er trägt seine Revolutionsuniform und will die Stadt gegen die Preußen verteidigen. Bitte sei so gut und hol ihn da ohne viel Aufsehens raus. Er ist ohnehin schon dabei, sich als Kölner Original zu etablieren.<<"
(S. 108)

Hier eröffnet sich einem eine fantastische zeitgenössische Schauerliteratur der besonderen und vor allem der ganz anderen Art ... oder hat schon jemand von Euch eine Geschichte mit sympathischen Ghulen gelesen?
Begleitet von einem flüssigen Schreibstil und fesselnder Story, bewegt man sich durch die Stadt Köln und reist auch hin und wieder in die Vergangenheit, um der Entstehung so manchen Ghuls beizuwohnen und die Hintergründe der Gefahr, in der sich Köln nun befindet, zu erfahren. Dabei kommt der Humor und das Lokalkolorit nicht zu kurz. Witzige Dialoge, welche manchmal im Kölner Dialekt geführt werden und zusätzlich die Atmosphäre der Stadt einfangen, wird vor allem die LeserInnen aus Köln begeistern.

">>Et hät noch imer jot jejange.<<
>>Ganz recht, Schmal, ganz recht, meine Rede.<<"
(S. 103)

Apropos Atmosphäre - diese ist dicht und beschehrt einem ein wahres Kopfkino, egal in welcher Zeit man sich gerade befindet oder durch welche Gassen und Untergründe man schleicht. Zusätzlich kann die Story auch mit der ein oder anderen überraschenden Wendung punkten.

Man liest auch nicht nur aus Klungas Perspektive, sondern auch von anderen Ghulen. Dabei wurde der Slang und die Ausdrucksweise vom Autor hervorragend angepasst. Während Klunga sich gewählt ausdrückt und durchaus als Ghul-Gentleman durchgeht, hat Jimmy, als noch eher junger Ghul, eine eher saloppere und jugendliche Art zu sprechen und zu denken. Dies verleiht der Story noch zusätzlich Authentizität.

Hin und wieder gibt es Illustrationen von Daniel Bechthold zu entdecken, welche die Story bereichern und mich begeistern konnten, sind sie doch absolut passend für diese Story. Es gibt hier also nicht nur eine fesselnde Schauergeschichte zu lesen, sondern auch noch etwas für's Auge. 
Im Anschluß ist auch ein Personenverzeichnis enthalten, welches einem einen raschen Überblick und Infos über die Figuren gewährt.

Fazit:
Ich war und bin immer noch begeistert. Solche Schauergeschichten, fern des 08/15-Einheitsbreis, findet man nur selten. Vor allem solche, die ein Lokalkolorit, Witz und Spannung gleichermaßen enthalten.
Die Story lebt von ihren skurrilen und schauerlichen Figuren und der Atmosphäre. Daher ist es nicht verwunderlich, dass ich Klunga & Co sofort in mein Herz schloß und auf eine Fortsetzung hoffe. Diesbezüglich erhielt ich von der Herausgeberin Ina Elbracht eine positive Rückmeldung.

"Ja, wir basteln an einem zweiten Teil mit dem Titel "Klunga und der Dibbuk"; Thema: Jüdisches Köln im Mittelalter.
Wir wollen es bis 2021 fertig bekommen. Da ist in Köln '321-1700 Jahre - Jüdisches Leben in Köln'. Das wäre ein guter Aufhänger."

Na wenn das nicht nach einem interessanten und spannenden zweiten Teil klingt, dann weiß ich auch ned. Tja, und ich freue mich nun jetzt schon auf diese Fortsetzung, denn dieser "Örben-Fäntäsie-Verzällcher" wurde zu einem meiner Sommer-Lese-Highlight.

© Pink Anemone (inkl. Leseprobe, Autoren-Info und Lese-Soundtrack)