Rezension

Fantastische Dystopie

„Zwischenreich“ ist eine große Dystopie, die im Gewand einer Fantasy-Fabel über Vampire, Menschen und Zombies daherkommt. In der Welt, die „Zwischenreich“ erschafft, herrschen die Vampire über die Menschen, und das auf grausame und brutale Weise. Entweder man unterwirft sich ihnen und dient oder man ist Freiwild und kann jederzeit ausgesaugt werden. Das Perfide an der letzten (nicht wirklichen, da man es sich nicht aussuchen kann) Option ist, dass der Biss der Vampire einen in einen Zombie verwandelt. Die Vampire saugen die Menschen nicht nur aus, sie vergiften, infizieren sie auch.

Man kann dieses Buch als große politische Fabel lesen, als ganz klassische Dystopie, die mit den Mitteln der Fantasy eine grausame und unerträgliche Welt entwirft. Jede Dystopie greift gegenwärtige Tendenzen und Verhältnisse auf, spitzt sie zu und überzeichnet sie, um wiederum etwas über die eigene Zeit zu erzählen. Sind die Zombies nicht wie die Slum-Bewohner unserer Zeit, deren Lebenskraft ausgesaugt wird und die an die Ränder der Gesellschaft gedrängt werden? Ist die Herrschaft der Vampire nicht eine Form eines totalitären Staates, der seine Untertanen überwacht, durchzählt und möglichst effizient nutzt?

Wenn diese Welt so unerbittlich und grausam ist, was bleibt da noch zu hoffen? „Zwischenreich“ gibt eine Antwort darauf. Die Hoffnung wird verkörpert durch eine junge Frau namens Shyla. Sie wächst in einer gewöhnlichen, nicht-geschützten Familie auf, ihre große Schwester wurde von einem Vampir in einen Zombie verwandelt, ihr Bruder starb bei einem Unfall. Ihren hart arbeitenden Eltern ist nur noch dieses eine Kind geblieben, Shyla.

Shyla möchte sich nicht abfinden mit ihrem Schicksal, damit, irgendwann von einem Vampir genommen und vergiftet zu werden. Sie ist eine Rebellin, ein Widerstandsgeist, und sie sucht nach einer Möglichkeit, die Herrschaft der Vampire zu beenden.

Was den Reiz von „Zwischenreich“ ausmacht, ist, dass es stets ambivalent bleibt, dass es keine simplen Antworten gibt, sondern die Komplexität der Verhältnisse ernst nimmt. Ein Mensch, der die Vampire hasst, und der nur mithilfe eines Vampirs die Herrschaft der Vampire beenden kann – das ist eine wahrlich ambivalente Grundkonstellation, die sich in der Figurenzeichnung und der Handlung fortsetzt.

Wie gesagt, man kann erheblichen politischen und philosophischen Gehalt in das Buch hineinlesen, man kann es aber auch einfach nur als gute und gelungene Literatur genießen. Die Sprache ist einerseits poetisch und wunderschön und andrerseits präzise und klar. Und es ist spannend, unterhält bis zum letzten Satz.