Rezension

Fantasy-Rollenspiel-Feeling

Das Herz im Glas - Katharina V. Haderer

Das Herz im Glas
von Katharina V. Haderer

Bewertet mit 4.5 Sternen

Inhalt

"Nicht auffallen!" lautet das oberste Gebot des Drachentöters Caedes und seiner Schwester Aenne. Bei ihrer Ankunft in Terra Talioni schummeln sie sich getarnt als vermeintliches Liebespaar an den Torwachen vorbei. Niemand darf erfahren, was sie bei sich tragen: ein menschliches Herz in einem Glas. Für diesen Besitz würden sie mit dem Leben bezahlen. Aenne und Caedes sind auf der Suche nach demjenigen, der das Herz einem lebenden Menschen entnommen hat, dem Mörder, der mit dem Herz Blutmagie praktizieren wollte.
Bei ihren Nachforschungen dringen sie tief in die Stadt vor, bis in die Mauern des Königshauses, wo Schein und Sein weit auseinanderdriften. Ohne es zu bemerken, verstricken sie sich in ein Netz aus Lügen und Intrigen, aus dem sie nicht entkommen können, werden zur Figur in einem grausamen Spiel, dessen Regeln sie nicht verstehen. Als die Geschwister endlich erkennen, dass sie die Kontrolle über die Ereignisse verlieren, ist es schon längst zu spät: Caedes hat sein Herz und seinen Verstand an eine Frau verloren, die er nicht durchschauen kann, und Aenne hat einen Vertrag geschlossen, mit dem sie alles riskiert - allem voran ihre eigene Freiheit. 

Meine Meinung

Beginnen wir wie immer mit dem Einstieg in die Handlung. Der hat sich für mich diesmal als etwas holprig entpuppt. Nicht, weil er schlecht geschrieben wäre, sondern weil ich erstmal das Gefühl hatte, mir würde eine komplette Vorgeschichte fehlen. Das ist ja an sich nicht unüblich, aber mir ist es hier etwas stärker aufgefallen, ganz so, als hätte ich ein paar Kapitel verpasst. Erst nach einer Weile erfährt man, wie das Herz im Glas, um das es die ganze Zeit geht, in Aennes Besitz gelangt ist und wieso sie mit ihrem Bruder Caedes überhaupt auf Reisen ist. Bis zu diesem erhellenden Moment fehlte mir völlig die Handlungsmotivation der beiden.
Diese kleine Wissenslücke hat sich aber nicht negativ auf mein allgemeines Interesse am Geschehen ausgewirkt. Das liegt zum einen an dem Ereignisreichtum, den stetig wachsenden Charakterstab und dem sonstigen Informationsinput, die keine Langeweile aufkommen lassen. Zum anderen lag es auch an dem Erzählstil der Autorin an sich. Sie schreibt sehr gut, sodass die Sätze flüssig zu lesen waren, und geht bei wichtigen Szenen auf entsprechende Aspekte detaillierter ein, damit man sich die Ereignisse oder Menschen gut vorstellen kann. Besonders habe ich beim Lesen geliebt, dass ich fast durchgängig dieses typische Rollenspiel-Feeling hatte, das ich sonst bei Videospielen wie Dragon Age & Co. bekomme. Das geht mir (selbst bei anderen Fantasy-Romanen) nicht allzu häufig so, deswegen habe ich das hier besonders genossen. An der ein oder anderen Stelle war die Ausdrucksweise nicht ganz zeitgemäß. Ich bezweifle z.B., dass es in dieser mittelalterlich anmutenden Welt tatsächlich Wörter wie "schwul" existieren. Das war aber eher die Ausnahme als die Regel und natürlich ist es kein Historien-, sondern ein Fantasyroman, weshalb ja prinzipiell alles möglich ist. Daher ist dieser Punkt auch nicht in meine Bewertung mit eingeflossen.
Selbst die vereinzelten gedichteten Passagen waren angenehm zu lesen und gut gereimt. Das will tatsächlich was heißen, denn normalerweise bin ich von Gedichten innerhalb von Prosa wenig begeistert.
Über die Handlung und die Akteure will ich eigentlich gar nicht so viele Worte verlieren, weil ich anderen Lesern nicht so viel vorwegnehmen möchte. Man sollte sich allerdings darauf gefasst machen, dass man von diversen Figuren überrascht wird. Manche überschätzt man, manche wird man wohl unterschätzen. Und ein reines Schwarz-Weiß-Denken wird einen wohl nicht weiterbringen. Ebenso abwechslungsreich und überraschend war auch die Ereigniskette. Die Autorin hat mich das ein oder andere Mal auf die falsche Fährte gelockt und mich immer wieder zum Zweifeln gebracht, ob ich denn gerade den richtigen bzw. die richtige Person verdächtige. Rohe Gewalt und Intrigen nehmen eine große Rolle in der Handlung ein - zwar nicht im Umfang von GoT, aber doch nicht wenig. Manche Szenen waren blutig bis hin zu ekelerregend, was mich viel Überwindung gekostet hat, um die Passagen nicht zu überspringen. Ich hatte Angst, sonst wichtige Details zu verpassen, denn sie waren tatsächlich relevant für den weiteren Verlauf. (Anmerkung: In der Beziehung bin ich aber auch eine Mimose - bei blutigen Folterszenen bin ich raus.)
Wirklich nicht überzeugt war ich von der bereits im Klappentext angedeuteten Liebesgeschichte. Das lag aber auch daran, dass mir eine der beiden Parteien bis kurz vor Schluss schlichtweg unsympathisch war, weshalb ich beim Lesen jedes Mal genervt war, wenn sie aufgetreten ist (und das war leider sehr häufig).

Mein Fazit

Ich bin ganz ehrlich: Ich hätte nicht gedacht, dass "Das Herz im Glas" bei mir so viel Begeisterung hervorrufen würde. Nachdem sich die anfängliche Verwirrung gelegt bzw. meine Wissenslücken ausreichend gefüllt waren, war ich komplett gefangen von den Ereignissen in Terra Tallioni. Die Autorin hat einfach die richtige Atmosphäre kreiert und genügend Spannung erzeugt. Lediglich der ein oder andere Charakter sowie einige wenige Längen haben mir ein paar Schwierigkeiten bereitet, ansonsten war es super!

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