Rezension

"fast" perfekt

Daughter of Smoke and Bone - Laini Taylor

Daughter of Smoke and Bone
von Laini Taylor

Bewertet mit 5 Sternen

Ich glaube es spricht eindeutig für das Buch, das ich es innerhalb von 6 Monaten zum zweiten Mal gelesen habe. DoSB ist im englischen Original einzigartig, fast schon poetisch geschrieben. Leider stieß ich im September damit noch an meine Grenzen und habe mich deshalb entschieden es in deutscher Übersetzung erneut zu lesen und zu bewerten.

Inhalt

Karou ist 17, lebt in Prag und geht auf eine Kunstschule. Ihre Freunde wissen so gut wie nichts über sie, ständig ist sie auf Grund merkwürdiger Botengänge unterwegs. Sie hat keine Familie oder nahe Angehörige - zumindest nicht auf der Erde. Was keiner weiß, sie ist im Laden eines Chimaera, der mit Wünschen handelt, aufgewachsen. Wünsche werden durch Zähne gehandelt, deshalb muss sie von allen "Kunden", die nicht selbst in den Laden kommen können, die erbeuteten Zähne einsammeln. Natürlich kann sie niemanden erzählen, was sie da eigentlich treibt und irgendwo tief im Inneren weiß sie, dass ihr etwas fehlt.
Aktiva ist ein Engel, wunderschön aber gezüchtet um zu Töten. Auf der irdischen Welt begegnet er Karou und kann sich nicht erklären, was sie mit dem Wünschehändler zu schaffen hat. Die beiden kommen sich näher und lüften das Geheimnis um ihre Existenz...

Mein Eindruck

Ich möchte an dieser Stelle vor allem auf die deutsche Übersetzung eingehen. Insgesamt hat sie mir ganz gut gefallen, doch an einigen Stellen merkt man leider wie der Zauber verloren geht. Hier zwei Beispiele auf der ersten Seite:

 "The falling snow and the early hour conspired to paint Prague ghostly, like a tintype photograph, all silver and haze." (Laini Taylor, Daughter of Somke and Bone, Original, Seite 1)

"Der Schnee der frühen Morgenstunde gab Prag eine gespenstische Note, wie eine Ferrotypie, alles Silber und Dunst." (Laini Taylor, DoSB Deutsche Übersetzung, Seite 1)

Und:

"The occasional cheek-chew of bitterness when a pang of heartache intruded, as pangs of heartache will, but she pushed them aside, resolute, ready to be done with all that." (Laini, Taylor, Daughter of Some and Bone, Original, Seite 1)

"Gelegentlich der bittere Geschmack von Herzschmerz, wie das ebenso ist, aber sie schob ihn beiseite, energisch, fest entschlossen, das alles hinter sich zu lassen. (Laini Taylor, DoSB Deutsche Übersetzung, Seite 1)

Ich zweifle nicht daran, dass die Übersetzer ihr Bestes gegeben haben. Es sind Nuancen, es ist die Wortwahl, es sind andere Formulierungen, mal mehr mal weniger deutlich. In den Dialogen z.B. ist es weniger auffällig, wie hier bei den Beschreibungen. Aber klar, es fällt einem nur auf, wenn man beides kennt und vergleichen kann. Vielleicht aber führt es trotzdem bei dem ein oder anderen Leser dazu, dass er die Geschichte anders wahrnimmt und Atmosphäre verloren geht.
Kommen wir zur Weltgestaltung: Fantastisch! Es ist mit Abstand das Beste, was ich seit Jähren im YA-Bereich gelesen habe. Ich möchte hier nicht vertieft drauf eingehen, es reicht zu wissen, dass der Wünscheladen eine Art Portal zu allen möglichen Städten auf der Welt ist, er verfügt aber über eine zweite Tür, durch die Karou nie zuvor gegangen ist. Überhaupt weiß Karou selbst nicht, wer sie eigentlich ist und ihre Fragen werden lange Zeit nicht beantwortet. 
Karou ist mit Sicherheit nicht Everybody's Darling: Sie lässt sich von ihren Gefühlen sogar zu Streichen und kleineren Gemeinheiten verleiten, mir hat das sehr gut gefallen! Sie ist in verschiedenen Kampfkünsten ausgebildet und nicht zimperlich wenn es darum geht ihre Ziele zu erreichen. Darüber hinaus hat sie vor allem eines: Mut. 

Dennoch hat sie Schwächen vorzuweisen, sie ist nicht Eins mit sich selbst, sie kann egoistisch sein, sie handelt ab und an impulsiv ohne Nachzudenken und so weiter. Karou hat Persönlichkeit! Sie hat Ecken und Kanten, sie wirkt dadurch lebendig.
Ihr Gegenpart Aktiva, hat mir sogar noch besser gefallen. Dieser Mann hat Tiefgang, man erfährt so viel über ihn. Zu Beginn noch sehr verschlossen, getrieben von Wut und Rache. Mehr und mehr sickern seine Verluste und vergangenen Träume durch die Fassade. Selten konnte ich einen männlichen Gegenpart so kennenlernen. 

Mir hat es so gut gefallen, dass Karou ein normales Leben an der Kunstakademie lebt, zusammen mit ihrer besten Freundin Zuzana. Hier haben wir keine "Ich-plapper-dir-alles-nach-Freundin", die Karou in jedem Punkt unterstützt. Nein, Zuzana hat Träume und Wünsche, fühlt sich auch oft von Karou vernachlässigt. Mir haben die Dialoge zwischen den beiden unheimlich gut gefallen, die Schwärmereien Zuzanas so nachvollziehbar realistisch, wie sie gemeinsam lachen und sich verstehen. Schön, wirklich.

Irgendwie schafft es die Autorin noch einen weiteren Bogen zu spannen, einen Bogen zu einer fantastischen Welt mit eigenen Geschöpfen und Gebräuchen.
Laini Taylor hat hier noch einige sympathische Nebencharaktere und fantastische Details zu bieten. Brimstone z.B. Karous "Ziehvater", allein von ihm lernt man drei Seiten kennen: Aktivas Sicht, Karous Sicht vor der Enthüllung, Karous Sicht nach der Enthüllung. Und das bei einem Nebencharakter! Es gibt weitere tolle Wesen, wie zum Beispiel eine halb Mensch, halb Schlangenfrau. Oder der kleine Kishmish, eine Art Krähe mit Fledermausflügeln und gespaltener Zunge. Und und und und... Hat man sich in die Welt hineingefunden, will man als Leser vor allem eines: Antworten. Man wissen weshalb Karou dort als Mensch Zugang hat, wer sind ihre Eltern, weshalb fühlt sie sich so leer?

Fazit
 
DoSB ist für mich ein nahezu perfektes Buch, ich liebe die Sprache, die Charaktere, die Handlung, die Details, die Welt, einfach nahezu Alles! Meinen "fast" perfekten Eindruck trübt nur der krasse Wandel Aktivas Gefühle von Hass auf Verwirrung zu gewaltloser Neugier. Diese Entwicklung war mir zu harsch und leider nicht glaubwürdig, doch schnell war ich wieder im Sog der Erzählung versunken. Allerdings meckere ich hier wirklich auf hohem Niveau ;)