Rezension

Fastenzeit

Fastenzeit
von Miguel Peromingo

Bewertet mit 4 Sternen

Was mir beim Lesen des Buches zuerst aufgefallen ist, ist der sehr direkte Schreibstil. Die Ausdrucksweise ist zum Teil ziemlich derb, was auf den ersten Blick genau den Charakter des Protagonisten Jorge widerspiegelt. Um ihn herum herrscht eine Atmosphäre der Gleichgültig- und Teilnahmslosigkeit. Jorge ist der typische Antiheld. Immer sich selbst der Nächste. Frauen sind für ihn nur Mittel zum Zweck. Da ist es natürlich von Vorteil, dass er als Projektleiter in der Entwicklungshilfe viel rum kommt und jede Menge davon kennenlernt. Er tut nichts ohne Berechnung und trotzdem war er mir von Anfang an sympathisch. Dies mag an seiner direkten und zynischen Art liegen oder vielleicht auch daran, dass sein Start ins Leben nicht unbedingt ideal war.

Weil er von seiner Mutter vernachlässigt wurde und unter Gleichaltrigen nicht unbedingt beliebt war, hat er für sich ein Fantasiespiel erfunden. Eine Show, in der er der gefeierte Star ist. Immer wenn es ihm gerade passt, geht er auf Sendung.

"Da mir eine ganztägige Austrahlung zu anstrengend und unpraktisch erschien, entschied ich, welche Teile meines Tages über den Äther gehen sollten. Immer dann, wenn ich mich in Position brachte, um 'on air' zu gehen, zählte ich in Gedanken '3, 2, 1' an und ergänzte nach einer kurzen dramatischen Pause 'klick'." (S. 9)

Für jede Sendung gibt es eine klare Ausgangsszene, er beschreibt außerdem die Kameraeinstellung und Hintergrundmusik. Während er die volle Aufmerksamkeit und Bewunderung seiner Zuschauer hat, kann es durchaus schonmal wie in einem Action- oder Liebesfilm zugehen, in dem er selbst natürlich der Held ist.

Es gibt abwechselnd Sprünge in die Vergangenheit, seine Sendungen und in die Gegenwart.

Eines Tages trifft er bei einem seiner Projekte auf Katarina, die ihn herausfordert, eine Wette einzugehen. Jorge soll sich auf eine 6 Wochen lange Fastenzeit begeben und auf etwas verzichten, das ihm wichtig ist.

Dabei reichen zwei Begegnungen zwischen den beiden aus, damit Katarina ihn nicht nur ansieht, sondern wirklich sieht.

"Bist du sicher, dass du der bist, der du glaubst zu sein? Du scheinst so unwirklich. So unzufrieden mit dir selbst, dass ich mich frage, warum du jeden Morgen aufstehst. Lass dich nicht von deinem eigenen Schatten fertigmachen. Mach dich frei davon." (S. 133)

Am Ende hat sich Jorges Reise auch ohne romantisches Happy End gelohnt.

Fazit:

Ein sehr unterhaltsames, aber auch nachdenklich stimmendes Buch, für das man sich Zeit nehmen sollte, denn es fordert eure ganze Aufmerksamkeit.