Rezension

Faszinierend

Alles Licht, das wir nicht sehen
von Anthony Doerr

Bewertet mit 5 Sternen

"Die Augen zu schließen, sagt dir kaum etwas über das Blindsein. Unter der Welt des Himmels, der Gesichter und Häuser gibt es eine rohere, ältere Wirklichkeit, einen Ort, an dem die Oberflächen zerfallen und die Geräusche in Schwärmen durch die Luft wehen." (S. 387)

Paris, 1934. Marie-Laure erblindet im Alter von 6 Jahren. Sie lebt mit ihrem Vater in Paris, wo er für alle Schlösser des Naturkundemuseums verantwortlich ist. Er baut ihr ein Miniaturmodell des 5. Arrondissements, so dass sie ihren Weg bis zum Museum oder zu Zielen in der Nähe findet. Die beiden haben eine liebevolle Beziehung zueinander und der Vater opfert viel für sein kleines Mädchen, auch als sie fliehen müssen und schließlich in Saint-Malo beim Großonkel von Marie-Laure unterkommen.

Zeche Zollverein, 1934. Werner lebt mit seiner Schwester Jutta im Kinderhaus der Zecher Zollverein. Sie sind Waisen. Er ist sehr technikbegabt und bald beginnen sich die Nazis für ihn zu interessieren.

Das Buch folgt keiner strengen Chronologie. Es starte mit dem Abschnitt „Null“ am 7. August 1944. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich sowohl Marie-Laure als auch Werner in Saint-Malo. In diesem Abschnitt wird über wenige Stunden berichtet, dann springt die Geschichte zurück in die Vergangenheit um dann wieder im August 1944 zu landen. Der Leser erfährt immer mehr, wie es zu den Ereignissen kam und am Ende musste ich die ersten Kapitel noch einmal lesen, um auch alle Details mitzubekommen.

Der Schreibstil von Anthony Doerr hat mich sogleich überzeugt und verzaubert; ein wahrhafter Sprachvirtuose mit einer tollen Übersetzung von Werner Löcher-Lawrence. Doch auch der Aufbau und die Geschichte selbst haben mich eingenommen. Der Spannungsbogen wird konsequent aufrecht erhalten und vor allem Marie-Laure wächst einem sehr ans Herzen. Die Blinde "sieht" so viel und wir erfahren, wie sie die Welt sieht.

Kommentare

Streiflicht kommentierte am 18. April 2015 um 14:54

eine schöne rezi zu einem offensichtlich bemerkenswertem buch!