Rezension

faszinierend, abstoßend, fantastisch, anders

Blutbuch -

Blutbuch
von Kim de l'Horizon

Bewertet mit 4 Sternen

 

Ich bin auf diesen Roman gestoßen, als er auf der Long List des Deutschen Buchpreises 2022 erschienen ist und mich die Leseprobe des Verlages beeindruckt hat. Obwohl keine Freundin der gendergerechten Sprache, haben mich die ersten Seiten geradezu "geflasht".

Worum geht es ? Hier setzt sich ein junger Mensch mit seiner Herkunft, seiner Familie, seiner Sexualität, seiner Sprache auseinander. Undzwar indem er auf die Suche geht, nach Schwemmgut ( Kapitel 1 ), nach der Kindheit ( Kapitel 2 ), nach der Blutbuche ( Kapitel 3 ), und nach Rosmarie ( Kapitel 4 ) um schließlich in Kapitel 5 in "Coming full spiral", in eine Spirale zu geraten. 

Dieser Mensch ist weder Mann noch Frau, weder kleiner Junge noch kleines Mädchen, sucht durch Aufarbeitung seiner Herkunft nach dem Schlüssel für sein Dasein bzw. "Sosein". Dies geschieht durch die Auseinandersetzung mit der Großmutter und Mutter in Briefen und in der Beschreibung von Begegnungen mit ihnen. Die Geschichte seiner Herkunft wird zurückverfolgt durch die Jahrhunderte, wo Frauen im 14. Jahrhundert als Hexen verfolgt wurden, bis in die Gegenwart, in der seine Mutter als Eishexe und sein Großmutter als Drachen bezeichnet werden. 

Der Roman hat mich durch seine Sprache beeindruckt. Es besteht eine Diskrepanz zwischen den liebevoll klingenden schweizerischen Ausdrücken ( z. B. Trukli für Kästchen, Meerträubelchen für Johannisbeere ) und dem in der Familie gesprochenen schweizer Dialekt und der von Mutter und Großmutter ausgehenden Gefühlskälte. Formulierungen wie "grauenvolle Lieblichkeit der Einfamilienhäuser", "Seine Seele steckt in seiner Kindheit fest, wie in einem Maulwurfgang", "Wimpernaufschlag wie ein Blutmondaufgang" oder "Edelweißblütenpelzchen" fand ich wunderbar.

Dennoch, bis zuletzt habe ich mich gefragt, worum geht es hier ? Um die Suche nach dem eigenen Blut, der Identität, immer wieder durch die Verbindung zur Blutbuche im Garten, um sexuelle Einordnung, um die Prägung durch erzählte und nicht erzählte Geschichten.

Ein in jedem Sinn eigenartiger Roman, der mich fasziniert und mit der Schilderung der Sexszenen gleichzeitig abgestoßen hat. Ich vergebe 4 Sterne und eine Leseempfehlung.