Rezension

Faszinierend und schockierend zugleich

Das Volk der Bäume - Hanya Yanagihara

Das Volk der Bäume
von Hanya Yanagihara

Bewertet mit 4 Sternen

Der junge Arzt Dr. Norton Perina entdeckt auf einer mikronesischen Insel Menschen eines bisher unbekannten Stammes, die körperlich nicht zu altern scheinen, aber geistig verwirrt sind. Es stellt sich heraus, dass die Bewohner das Fleisch einer besonderen Schildkröte verzehrt haben, die ihr Lebensspanne deutlich verlängert. Bald schon wird Norton für seinen wissenschaftlichen Durchbruch gefeiert, doch dann wird er wegen Kindesmissbrauchs angeklagt... .
Hanya Yanagihara hat hier Roman geschrieben, der gleichzeitig beeindruckend, aber auch verstörend ist und mich nachdenklich zurück lässt.
Sie hat hier eine Art fiktionale Biographie entworfen, die die angebliche Geschichte des Dr. Norton Perina erzählt, der erst durch seine bahnbrechende Entdeckung den Nobelpreis erhält, aber dann wegen seiner pädophilen Neigung bei allen in Ungnade fällt.
Man bekommt hier wirklich den Eindruck, man würde eine echte Biographie eines tatsächlich existierenden Wissenschaftlers lesen. Dies wird noch durch angebliche Zeitungsartikel und vor allem durch das Vorwort und die Fußnoten des Herausgebers Dr. Kubodera verstärkt.
Auf mich wirkte Dr. Norton Perina von Anfang an unsympathisch, was nicht nur an seinen pädophilen Neigungen, sondern auch daran liegt, wie er schon als Jugendlicher über andere Menschen urteilt und wie anmaßend und respektlos er mit seiner Mutter umgeht. Auch im weiteren Verlauf der Geschichte merkt man immer wieder eine gewisse Gefühlslosigkeit, als er beispielsweise die Laborratten tötet und untersucht und sich bei seiner Ankunft auf Ivu´ivu gleich vornimmt, die Forscherin Esme Duff zu hassen.Später, als er viele Kinder in die USA holt, adoptiert und großzieht, hat man bereits ein flaues Gefühl, weil man ja schon weiß, dass etwas passieren wird.
Die Autorin hat es im Roman wirklich geschafft, den Leser mit in die Handlung hinein zu ziehen und mit vielen Fragen gerade moralischer Art zu konfrontieren. Besonders anschaulich und betörend beschrieben ist die Zeit im Dschungel, der eine unglaubliche Pflanzen- und Tiervielfalt bietet und seine Gäste in seinen Bahn zieht. Umso mehr trifft es einen selbst, als nach Nortons Entdeckung scharrenweise Wissenschafter nach Ivu´ivu kommen und dort den Dschungel zerstören.
Gelesen wird das Hörbuch zum größten Teil von Gunter Schoß. der Dr. Perina spricht. Seine Stimme passt hervorragend zu der Figur und man stellt sich unweigerlich einen älteren Herrn vor, der seine Geschichte ganz unbedarft erzählt. Auch Matthias Bundschuh, der Dr. Kubodera spricht, klingt wirklich wie der Mitarbeiter, der sein Vorbild trotz allem anhimmelt und sein Handeln rechtfertigt.
Insgesamt ist ,,Das Volk der Bäume" ein besonders Hörerlebnis, welches gleichzeitig fasziniert und schockiert. Gerne empfehle ich es hier weiter.