Rezension

Faszinierend und verstörend zugleich

Mr. Lamb - Bonnie Nadzam

Mr. Lamb
von Bonnie Nadzam

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ich konnte das Buch nicht mehr aus den Händen legen

David Lamb hat gerade seinen Vater zu Grabe getragen und ist nun noch einsamer denn je. Sein momentanes Leben scheint verkorkst, sowohl privat als auch beruflich läuft es nicht glatt - in Scheidung lebend und nicht ganz freiwillige Jobpause. In diesem Moment der Zerissenheit tritt die 11jährige Tommie in sein Leben. Angestachelt durch zwei Freundinnen soll sie von dem gutaussehenden, älteren Herrn, der alleine auf einer Parkbank sitzt, Zigaretten schnorren. In einer Aufmachung, die eher an ein "Flittchen" erinnert, geht sie die Mutprobe an. Aus nicht wirklich erklärbaren Gründen geht es mit Mr. Lamb durch, und er will den Mädels einen Denkzettel verpassen, indem er eine Entführung Tommies vortäuscht. Sie wird von ihm, begleitet von erklärenden Worten, in sein Auto gezerrt...    Dies ist der Auftakt des Buches. Allein diese Szene stürzte mich als Leser in die Verwirrung. Was will David Lamb bezwecken? Was ist er für ein Typ? Ihm gegenüber steht Tommie, die aus einfachen Verhältnissen stammt und deren Mutter sich mehr schlecht als recht um ihre pubertierende Tochter kümmert. Im weiteren Verlauf der Geschichte treffen sich Mr. Lamb und Tommie immer wieder. Es entwickelt sich eine Art Freundschaft, die verwirrender nicht sein kann. David Lamb hat den Anspruch, Tommie das wahre Leben zu zeigen, sie auf die harte Zukunft vorzubereiten. Es kommt zu einem Ausbruch, die beiden machen sich auf und fahren in die Rocky Mountains zu einer Hütte, die im Besitz von Mr. Lamb ist. Für ihn ist es auch irgendwie eine Reise in die Vergangenheit, ein Ausbruch aus seinem einsamen Erwachsenendasein. Vielleicht auch eine Suche nach nie dagewesener Liebe, nach Verständnis und Geborgenheit. Tommie, hinundhergerissen zwischen Faszination und Angst, Neugier aufs Leben und Sehnsucht nach jemanden, der sich kümmert, sie umsorgt und mit Liebe überschüttet. Sie saugt das neue Leben nur so in sich auf. Lagerfeuer, Natur, Abenteuer, der Hauch von Verbotenem...Beim Lesen des Buches schwingt immer ein dunkler Ton mit. Ist es rechtens, was hier geschieht? Wird eine unsichtbare Grenze überschritten? Oder hält diese ungleiche Beziehung die Balance zwischen Abenteuer und erlaubter Nähe? Dieses scheinbar Subtile der Ereignisse und gleichzeitig dieser Nervenkitztel, passiert etwas Unmoralisches, machen das Buch von Bonnie Nadzam so außergewöhnlich, faszinierend und verstörend zugleich. Ich konnte das Buch nicht mehr aus den Händen legen, obwohl mir immer ein Schauer über den Rücken lief und ich dachte, darf es so sein? Es ist ein Buch, was aufrüttelt, die Gedanken nicht stillstehen läßt.                                                                                                    

Eine Homage an das Gute im Menschen, an wahre Freundschaft und an die Liebe zum Leben, zum Lebendig-Sein. Sehr, sehr gut!