Rezension

Faszinierende Familiengeschichte über den Wert von Heimat

In jenen hellen Nächten
von Roy Jacobsen

Inhalt

Norwegen, erste Hälfte des 20. Jahrhunderts: Hans und Maria Barroy leben mit ihrer kleinen Familie auf einer abgelegenen Insel an der zerklüfteten Küste hoch oben im Norden. Ihre Tochter Ingrid hingegen will mehr und geht aufs Festland, wo sie als Hausmädchen eine Anstellung bei einer wohlhabenden Familie findet. Rührend kümmert sie sich um die Kinder Felix und Suzanne, deren Eltern eines Tages verschwinden. Ingrid entschließt sich kurzerhand, die beiden Waisen mit auf ihre Insel zu nehmen, um ihnen dort ein neues zu Hause zu schenken. Doch dies ist nur der Anfang weiterer dramatischer Entwicklungen.

Meine Meinung
Roy Jacobsen verschafft seinen Lesern mit seinem Roman "In jenen hellen Nächten" einen beeindruckenden Einblick in das Leben der Menschen auf einer kleinen norwegischen Insel zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Grunde passiert in der Handlung nicht viel, aber dennoch folgt man gebannt dem Geschehen und möchte wissen, wie es weiter geht. Roy Jacobsen erzählt seine Geschichte auf eine sehr ruhige Art, die mich jedoch schon nach wenigen Seiten in die Welt von Barrøy eintauchen lies. Der Autor ist ein perfekter Beobachter von Mensch und vor allem Natur, die er mit wunderbaren Worten in Szene zu setzen weiß.

Erzählt wird die Geschichte der Familie Barrøy, mit all ihren Hochs und Tiefs. Von außen dringt nur wenig zu den Inselbewohnern durch. Selbst als ein Krieg ausgebrochen sein soll, ist das für diese kaum von Interesse. Alles außerhalb der Familie und Insel scheint nicht zu zählen. Lediglich Hans Ideen, was er auf  Barrøy verändern möchte, sind noch von Belang. Und so gibt er viel Geld für Baumaterial aus und baut mit seinem Vater einen Kai, bei dem nun öfter Boote anlegen, die an die Milchroute angebunden sind, die zweimal die Woche die gemolkene Milch einsammelt und zudem als eine Art Zeitung fungiert.

Besonders eindrucksvoll schildert der Autor, wie man auf der Insel mit Stürmen und Unwettern umgeht. Und auch dies tut man auf ruhige und besonnene Art, denn ändern kann man die Situation auch so nicht, nur beim nächste Mal besser darauf vorbereitet sein. Hier lernt man nicht aus Büchern, sondern aus der Erfahrung, dem, was man von den Alteren an Wissen übermittelt bekommt und der Natur. Es ist ein Leben, welches gerade wegen seiner Einfachheit fasziniert.

Roy Jacobsen benötigt weit über die Hälfte des Romans, um das Lebensgefühl auf der Insel aufzuzeigen. Dabei kommt man als Leser nicht umhin sich immer wieder zu fragen, warum sich die Bewohner des Eilands diese Entbehrungen antun. Hier wird der Kontrast zu einem Leben in Abgeschiedenheit und dem Leben in einer modernen Gesellschaft deutlich und natürlich auch die Frage nach dem Wert der Heimat. Nur die Tochter, Ingrid, folgt der Sehnsucht nach einer anderen Welt, entscheidet sich jedoch recht schnell nach Barrøy zurück zu kehren und auf dem Eiland weiter zu leben.

Meisterhaft gelingt es Roy Jacobsen diesen Entschluss in seinem Roman so vorzubereiten, dass das Leser sofort nachvollziehen kann, dass die Bewohner auf der Insel bleiben wollen. Zu sehr sind sie mit ihr verwoben, was er besonders passend mit den folgenden Worten auf Seite 22 beschreibt: "Niemand kann eine Insel verlassen, eine Insel ist ein Kosmos im Taschenformat, wo die Sterne im Gras unter dem Schnee schlafen".

Fazit
Roy Jacobsen erzählt mit seinem Roman "In jenen hellen Nächten" eine Geschichte von Unabhängigkeit, Natur und vor allen Dingen von der Bindung an eine Heimat. Lese-Empfehlung für alle, die Bücher mögen, die ruhig und jenseits des Mainstream geschrieben sind.