Rezension

Fein ausgearbeitete Charaktere, unkonventionelle Methoden und einfach absolut packend!

Neun Fremde - Liane Moriarty

Neun Fremde
von Liane Moriarty

Zugegeben, anfangs hat mich die Dicke dieses Buches wirklich erschlagen. Der Klappentext hatte mein Interesse geweckt und ich brannte darauf, mehr über die neun Fremden, die in dem Wellness Resort "Tranquillum House" zusammenkommen, zu erfahren. Ich habe interessante Lebensgeschichten und vielfältige Charaktere erwartet- und meine Erwartungen wurden definitiv erfüllt, wenn nicht sogar noch übertroffen.

 

Inhalt:

Frances, Tony, Napoleon, Heather, Zoe, Lars, Jessica und Ben- Neun Fremde, neun Lebensgeschichten. Neun Menschen, die tagtäglich einen ganzen Rucksack an Problemen, Sorgen, Vorwürfen und Nöten mich sich herumschleppen. Neun Fremde, deren Leben letztlich nichts miteinander zu tun haben, deren Wege sich jedoch im  Wellness Resort "Tranquillum House" kreuzen. Das Resort wirbt mit einer transformativen Erfahrung, die das komplette Leben verändert und nach dessen Besuch nichts mehr so sein soll, wie es vorher war. Doch die Methoden und Ansätze sind sehr unkonventionell...

 

 

Meinung:

Zwar soll man ein Buch nicht nach seinem Cover bewerten, doch in diesem Falle komme ich nicht umhin, da das Cover so unglaublich gut zu dem Inhalt, der sich dahinter verbirgt, passt. Sind die neun Liegen auf dem Buchdeckel noch leer, so werden sie im Laufe des Buches mit neun vielschichtigen und facettenreichen Charakteren gefüllt. Genau darauf hatte ich mich gefreut, als ich das Buch begonnen habe, und genau das hat mir am Ende an diesem Buch auch am Besten gefallen. Die neun Lebensgeschichten und Gefühlswelten der Gäste von "Tranquillum House" sind absolut fein und überzeugend ausgearbeitet. Immer wieder kamen neue Puzzleteile ihrer persönlichen Geschichten ans Tageslicht, wodurch nach und nach ein genaues Bild entstand und das Verhalten und die Gefühlswelten der neun Personen erklärte und lebendig machte.

Die Lebensgeschichten sind insgesamt sehr abwechslungsreich und alle auf ihre Art und Weise tiefgängig. Sie spielen mit Vorurteilen und Gedanken der Gesellschaft, widerlegen diese aber oft und machen abstrakte und tabuisierte Themen greifbarer und lebendiger. Einige der Konflikte, mit denen die neun Personen tagtäglich konfrontiert werden, sind allgemein bekannt und treffen auf viele zu, andere hingegen sind konkreter und ungewöhnlicher. Trotz allem wirkten alle Geschichten und Geschehnisse der Vergangenheit realistisch und gut recherchiert, alles war schlüssig und verständlich.

Die Methoden des Wellnessresorts sind, wie angekündigt, sehr unkonventionell. Ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen, um keine Handlung vorweg zu nehmen, doch ich habe definitiv etwas anderes erwartet. Doch auch diese Wendung hat Einblicke in eine mir vollkommen fremde Welt eröffnet. Über die  Glaubwürdigkeit dieser Methoden und den Wahrheitsgehalt lässt sich an dieser Stelle streiten, mich hat es definitiv schockiert und an dieser Stelle hoffe ich sehr, dass alles rein fiktiv ist. Es wirkte insgesamt sehr augenöffnend im Bezug auf neuartige, sogenannte "Wellnessmethoden", manchmal aber auch etwas an den Haaren herbeigezogen. Es war spannend zu lesen, keine Frage, doch ab einem gewissen Punkt wurde es stellenweise etwas unglaubwürdig- was dem Unterhaltungsfaktor des Buches trotzdem keinen Abbruch getan hat.

Der Schreibstil konnte mich überzeugen und fesseln, die Sprache war malerisch, ohne zu dick aufzutragen.

Die Charaktere waren alle insgesamt sehr charakterstark und fein ausgearbeitet, wie ich bereits erwähnte. Auch die Besitzerin von "Tranquillum House", Masha, ist eine sehr extravagante und polarisierende Figur und kam mir durch die Ausführliche Erklärung sehr greifbar vor. Zwar hat sie definitiv eine psychische Störung und hat mir teilweise etwas Angst eingejagt, aber genau das war auch die Absicht. Die neun Fremden konnten mich alle sehr überzeugen, bis auf Carmel, aber ich denke, das ist Geschmackssache. Sie ging mir zwischenzeitlich leider auf die Nerven, da sie deutlich charakterschwächer wirkte als alle anderen Patienten des Hauses. Sie schwimmt in Selbstzweifeln und Selbstmitleid. Sicher nicht aus der Luft gegriffen und realitätsgetreu, doch umgeben von all den starken Charakteren ist sie mir unangenehm aufgefallen.

Insgesamt konnte mich das Buch wirklich überzeugen. Die Charaktere waren facettenreich, gut ausgearbeitet und harmonierten wunderbar. Die Geschichte hält einige unerwartete Wendungen bereit, konnte mich fesseln und immer wieder überraschen, hat mich zum Nachdenken angeregt und mich einiges gelehrt.