Rezension

Feiner, aparter Roman aus den Zwanzigern

Das Haus der vergessenen Bücher - Christopher Morley

Das Haus der vergessenen Bücher
von Christopher Morley

Das Besondere dieses Buches ist, dass seine Übertragung ins Deutsche fast 100 Jahre dauerte – so dass man eine Geschichte liest, die nicht nur in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts spielt, sondern die auch damals verfasst wurde.

Alles dreht sich um die Buchhandlung Parnassus in Brooklyn und ihren Buchhändler Roger Mifflin. Der erste Weltkrieg mit all seinen Schrecken ist gerade vorbei und damit sich so etwas nie wieder ereignet, setzt Mifflin die einzige Waffe ein, die er kennt: Bücher. Die Menschen müssen einfach mehr lesen, dann kommen sie nicht mehr auf so grauenhafte Ideen! Nun wissen wir als heutige Leser, dass es leider noch den zweiten Weltkrieg gab und jede Menge andere auch, bis auf den heutigen Tag. Dennoch liest man Mifflins große Reden auf die Literatur und das Lesen mit dem allergrößten Vergnügen und stimmt ihm von Herzen zu!

Außerdem ereignen sich in seiner Buchhandlung noch ein feiner Krimi um ein verschwundenes Buch und eine zarte Liebesgeschichte zwischen dem Lehrmädchen Titania und ihrem Verehrer, dem Werbetexter Aubrey Gilbert. Wie gut, dass Mifflin mit seiner patenten Ehefrau Helen gesegnet ist – er selber sieht vor lauter Büchern oftmals die Geschichten in seinem Buchladen nicht…

In der Regel lese ich Romane nicht mit einem Stift in der Hand – doch hier habe ich alle paar Seiten diese wunderbar formulierten Sätze angestrichen, es ging einfach nicht anders. Als Kostprobe wähle ich einen Abschnitt, der wohl jedem Bücherfreund aus der Seele spricht: „Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass Bücher einen aufspüren und zur Strecke bringen können? (…) Eines Tages wird es mich erwischen, und dann muss ich es lesen. (…) Deshalb sage ich, dass es hier spukt – mein Laden ist voll von den Geistern der Bücher, die ich nicht gelesen habe. Armen ruhelosen Geistern, die immer um mich herum sind. Es gibt nur eine Möglichkeit, den Geist eines Buches zu bannen – man muss es lesen.“

Erleichtert war ich, dass der Übersetzer mir die Scham genommen hat, nicht alle erwähnten Bücher zu kennen: Manche sind nie ins Deutsche übertragen worden und andere wurden sehr wahrscheinlich von Morley erfunden. Die Ausstattung finde ich für dieses kleine Juwel ein bisschen spartanisch: Kein Lesebändchen und keine ausführliche Autorenvita, die etwas mehr Licht in dessen Arbeit zu seiner Zeit gebracht hätte. Dafür aber einen klasse gestalteten Schutzumschlag und einen soliden Pappeinband in kornblumenblau.

Alles in allem: Wer mal neben den ausgetretenen Pfaden lesen möchte, wird hier fündig und ich wünsche ganz viel Vergnügen bei der Lektüre!