Rezension

Feinfühlige Lektüre, die einem jungen Zielpublikum die Angst vor dem Alleinsein nehmen möchte.

Charlotte & Ben - Erin Entrada Kelly

Charlotte & Ben
von Erin Entrada Kelly

Laut Duden hat das Adjektiv „allein“ drei mögliche Bedeutungsebenen: (a) ohne die Anwesenheit bzw. Gegenwart eines anderen; (b) einsam, vereinsamt; (c) ohne fremde Hilfe, Unterstützung, ohne fremdes Zutun. Erin Entrada Kelly, eine US-amerikanische Autorin, setzt sich in dem erst kürzlich erschienenen Roman „Charlotte & Ben“ mit diesem Terminus auseinander: Wie fühlt man sich nicht mehr so ausgeschlossen und findet den Weg zurück zu seinen Mitmenschen?

Das farbenfrohe, aber schlicht motivische Cover lädt zu einer kurzweiligen, unterhaltsamen Lektüre ein. Dabei stimmt es angemessen auf den dargestellten Inhalt ein, kann aber auch durch seine Auffälligkeit punkten. Kelly umwickelt ihre Leser*innen mit einem gut zu lesenden, honigähnlichen Schreibstil, der einen unkomplizierten Zugang zur Handlung ermöglicht.

In „Charlotte & Ben“ widmet sich die Autorin  an ein relativ junges Zielpublikum. Umso mehr begeistert ihre feinfühlige und bedachte Art und Weise, das Thema ‚Alleinsein‘ aufzugreifen und zu beweisen, dass Sich-selbst-sein und –ausdrücken wichtig und möglich ist, wenn man eine Konstante hat, die Unterstützung leistet in dem, was man tut. Was du tust.  

In der vorliegenden Lektüre treffen zwei grundsätzlich verschiedene, authentische Protagonisten aufeinander – und beide Figuren tragen einen schweren Rucksack aus Problemen, Hoffnungen und Wünschen mit sich. Ihre Hintergründe sind jederzeit glaubwürdig und nachvollziehbar dargestellt. Die beiden Weltbilder zusammenprallen zu sehen, hat mir während des Lesens Freude bereitet.

Dennoch hätte ich mir ein bisschen mehr Fläche gewünscht, auf der sich die beiden Figuren reiben können. Schließlich ist die Verbindung zwischen ihnen titelgebend für den gesamten Roman – letztendlich aber nicht mehr als eine lose Telefonverbindung. Dass die beiden sich ganz viel über sich selbst erzählen (wie es der Klappentext behauptet), ist de facto nicht der Fall.

Das ist wahrscheinlich auch eine der Ursachen, weshalb das Buch oftmals an der Oberfläche und somit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Es werden ganz viele Fragen gestellt – aber letztendlich nicht beantwortet. Und die Leser*in kalt zurückgelassen. Ich hätte mir von der Autorin gewünscht, sich deutlich mehr Zeit zum allmählichen Ausbreiten ihrer Handlung, die Figuren sich erst einmal miteinander anfreunden und aufeinander reagieren zu lassen. Denn dieser Kontakt zwischen beiden Charakteren ist  doch der Dreh- und Wendepunkt, die Koordinationsachse des vorliegenden Romans, kommt hier aber viel zu kurz.

Insgesamt handelt es sich bei „Charlotte & Ben“ zweifelsohne um ein angenehmes Lesevergnügen für Zwischendurch, ein Feel-good-Roman mit motivierter Grundstimmung, der sicherlich vielen kurzweiligen Spaß bereiten dürfte. Wirklich lange bleibt er damit jedoch nicht im Gedächtnis.

 

„Charlotte & Ben“ ist eine feinfühlige Lektüre, die einem jungen Zielpublikum die Angst vor dem Alleinsein nehmen möchte.

Für diesen Versuch gebe ich drei von fünf möglichen Sternen.