Rezension

Feinfühliges und leise erzähltes Porträt einer Stadt und deren Bewohner

Das Café ohne Namen
von Robert Seethaler

Unaufgeregt und mit feiner Beobachtungsgabe erzählt Robert Seethaler in seinem Roman "Das Café ohne Namen" von Robert Simon, der am Anfang des Buches noch Gelegenheitsarbeiter auf dem Karmelitenmarkt in Wien in den 1960er-Jahren ist. Zwanzig Jahre nach Kriegsende befindet sich Wien im Aufbruch und Robert Simon ergreift die Gelegenheit und erwirbt ein Café. Bald schon wird sein Café Treffpunkt der arbeitenden und ärmeren Bevölkerungsschicht, die in seinem Café für einen Moment ihren tristen und harten Alltag für entfliehen können. Im Verlaufe der Geschichte begegnet man ehemaligen Näherinnen, Boxern, Künstlern, Metzgern oder auch Obdachlosen und wird Zeuge ihrer Wünsche und Sehnsüchte. So entsteht ein feinfühliges Gesellschafts- und Zeitporträt von Wien in den 60er- und 70er-Jahren.
 
Wie der Titel des Romanes schon andeutet, hat Robert Simons Café keinen Namen. Demzufolge steht auch nicht das Café an sich, sondern die unterschiedlichen porträtierten Personen im Vordergrund der spärchlichen Handlung, allen voran sein Besitzer Simon, seine Gäste und seine Angestellten. Mit viel Gespür für die leisen Töne, zeichnet Seethaler ein einfühlsames und differenziertes Bild der einzelnen Charaktere und erzählt hierbei fast schon vignettenhaft von einzelnen Ereignissen in deren Leben. Es kommt dabei gelegentlich zu großen Zeitsprüngen, die die ansonst flüssig und stimmungsvoll sowie leicht melancholischen erzählte Handlung etwas sprunghaft und zusammenhangslos erscheinen lässt. Der Sogwirkung des Romans tut diesen jedoch keinen Abbruch, die trotz der ereignisarmen Handlung entsteht. 
 
"Das Café ohne Namen" ist ein Roman, der erst nach und nach seine Wirkung voll erzielt und den man erst auf sich wirken lassen muss. Hier ist kein Wort zu viel, es kommt auf die Zwischentöne an. Es ist ein leises und gefühlvolles Porträt einer Stadt im Wandeln und eines ärmeren sozialen Milieus. Lediglich etwas weniger große Zeitsprünge hätten der Handlung gutgetan.
Nicht nur für Fans von Robert Seethaler empfehlenswert.