Rezension

Feministische Heldin

Manhattan Beach - Jennifer Egan

Manhattan Beach
von Jennifer Egan

Bewertet mit 4 Sternen

Mit Anna, die während des Zweiten Weltkriegs in NYC als Taucherin arbeitet, hat Jennifer Egan eine äußerst spannende Protagonistin geschaffen. In einer patriarchisch-sexistischen Welt setzt sie sich mit Entschlossenheit, Hartnäckigkeit und stiller Stärke durch, ohne dabei je übertrieben oder aggressiv zu agieren. Um ihren Traum vom Tauchen zu erfüllen, muss sie ein Vielfaches mehr leisten, als ihre männlichen Kollegen. Selbst als sie besser als alle anderen ist, muss sie weiter für ihre Position kämpfen – das sind alle Themen, die bis heute noch aktuell sind. Gleichzeitig balanciert sie ihr schwieriges Privatleben, denn der Vater hat die Familie verlassen. Anna kümmert sich liebevoll um ihre behinderte Schwester und hilft nach Feierabend ihrer Mutter bei deren Arbeit als Näherin. Dabei sucht sie in ihrer knappen Freizeit Anschluss an andere und stolpert dabei in einige unvorteilhafte Bekanntschaften hinein. Anna ist eine komplexe Protagonistin, deren Geschichte mich gefesselt hat.

Der Klappentext suggeriert, dass Anna im Mittelpunkt des Romans steht, doch eigentlich gibt es drei Protagonisten. Neben Anna sind auch ihr Vater Eddie sowie der Clubbesitzer und Gangster Dexter Styles Protagonisten in „Manhattan Beach“. Die Wege der Drei kreuzen sich immer wieder auf interessante Weise.

Man merkt, dass die Autorin für diesen Roman intensiv über das Tauchen und die Marine in den 1930er und 1940er Jahren recherchiert hat. Ihre Beschreibungen sind plastisch und lebendig – beim Lesen kann man den schweren Tauchanzug oder den starken Wellengang förmlich spüren. Die Weltkriegsjahre in den USA lässt Egan vor dem inneren Auge authentisch auferstehen. Auch wenn ihr Wissen beeindruckt, empfand ich die Szenen von Eddies Alltag an Bord eines Schiffes als am wenigsten interessant. Die Geschichte rund um Anna macht dies jedoch wett.