Rezension

Feministischer Rache-Roman

Wings of Silver. Die Rache einer Frau ist schön und brutal - Camilla Läckberg

Wings of Silver. Die Rache einer Frau ist schön und brutal
von Camilla Läckberg

Bewertet mit 2.5 Sternen

Die erfolgreiche Geschäftsfrau Faye ist am Ziel: Ihren skrupellosen und brutalen Ex-Mann Jack hat sie hinter Gitter gebracht, ihre kleine Tochter ist in Sicherheit und ihr Unternehmen „Revenge“ expandiert. Sie hat die Vergangenheit hinter sich gelassen und sich ein neues Privatleben fernab der schwedischen Heimat in Italien aufgebaut. Doch plötzlich häufen sich seltsame Aktienverkäufe ihrer Aktionärinnen und Faye muss um das Bangen, was sie gemeinsam mit ihrer verstorbenen Freundin Chris aufgebaut hat. Zu allem Unglück gelingt es Jack auch noch, aus dem Gefängnis auszubrechen – und urplötzlich ist nicht nur Fayes Geschäft, sondern darüber hinaus ihr Leben in Gefahr.

„Wings of Silver“ ist der zweite  Band der „Golden-Cage“-Reihe der schwedischen Autorin und Unternehmerin Camilla Läckberg. Der Titel für ihr Buch ist sehr passend gewählt und der Untertitel „Die Rache einer Frau ist schön und brutal“ hat mich direkt angesprochen und neugierig gemacht. Auch das Cover ist hochwertig und sehr schön gestaltet: Das Motiv des abgebrochenen „Revenge-Lippenstiftes“, mit dem Fayes Name geschrieben ist, symbolisiert sowohl die Gefahr, in der sie persönlich sich befindet und repräsentiert ihr strauchelndes Unternehmen. Die silberne Schriftfarbe ist ein absoluter Hingucker und passt perfekt zum Titel. Ein absolut gelungenes Cover!

Camilla Läckbergs Schreibstil ist fesselnd und spannend, sie beschreibt anschaulich und sorgt für Tempo. Lediglich die erotischen Szenen waren mit teilweise etwas zu vulgär beschrieben, aber das ist bekanntlich Ansichtssache. Das Buch ist in vier Teile gesplittet, die jedesmal enden, wenn ein neuer, lebensverändernder Vorfall in Fayes Leben geschieht. Zwischen den erzählenden Parts zu Fayes Gegenwart werden regelmäßig Szenen von „damals“ in Fjällbacka aus der „Ich-Perspektive“ eingeschoben, die teilweise so brutal und ekelerregend waren, dass mir vor Mitleid und Grauen Tränen in die Augen getreten sind. Ziemlich schnell ergeben diese Szenen für den Leser aber ein stimmiges Bild zur eigentlichen Geschichte, falls die Autorin hier für ein Rätsel sorgen wollte, war dieses leider sehr schnell gelöst. Insgesamt erschien mir der Roman an vielen Stellen leider sehr vorhersehbar und wenig überraschend.

Insgesamt war die Story an sich gut und die Idee dahinter toll. Leider hat sie sich aber nicht in sich abgeschlossen angefühlt, mir fehlten teilweise Informationen aus dem ersten Band, so dass nicht alle Handlungsstränge voll nachvollziehbar oder verständlich waren. Auch endet die Geschichte offen, so dass noch genug Stoff für einen dritten Band bleibt. Gut beschrieben wurde die Businesswelt, in der sich Faye bewegt, wobei allerdings leider das Produkt der Firma und Details zum entscheidenden Twist leider zu allgemein und oberflächlich blieben.

Faye als Protagonistin wurde für mich leider nicht greifbar, vielmehr hat sie mich in weiten Teilen des Buches eher genervt. Ich habe sie als sehr widersprüchlich wahrgenommen: Einerseits ist sie eine knallharte, intelligente Geschäftsfrau, dann auch wieder liebende Mutter und zuverlässige Freundin, auch starke Feministin, die den Männern nicht wiederstehen kann. Ebenfalls ist sie eine skrupellose, fast psychopathisch-berechnende Mörderin, dann aber auch wieder ein naives und gutgläubiges kleines Mädchen, das geliebt und bewundert werden möchte. Mir waren das leider zu viele Charakterzüge innerhalb einer Person, so dass ich mit Faye nicht warm geworden bin und sie als unauthentisch empfunden habe. Andere Personen spielen eher eine untergeordnete Rolle, obwohl beispielsweise auch ihre Freundinnen Alice und Ylva interessant gewesen wären. Ex-Mann Jack wird ebenfalls kaum erwähnt, obwohl man nach dem Klappentext erwartet, ihn im Fokus zu finden. Jedoch taucht er erst nach der Hälfte des Buches überhaupt auf und nimmt eher kleine Rolle ein, man lernt ihn als Leser überhaupt nicht kennen. Vor der Überrepräsentation Fayes ist auch deren Leben in Italien, das sie ja verteidigen möchte, völlig außen vor geblieben.

Hin- und hergerissen bin ich zum Thema Feminismus, das ständig und an vielen Stellen thematisiert wurde. Schön war es, die zahlreichen starken Frauen kennenzulernen und mitzuverfolgen, wie sie sich verbündet und Freundschaften entstanden sind. Hier wird Frauenpower wirklich spürbar!

Andererseits war mir das Thema zu omnipräsent und zu fanatisch, es herrschte ein striktes Schwarz-weiß-Denken vor: Männer sind entweder brutale Vergewaltiger oder versuchen hinterlistig Frauen übers Ohr zu hauen und auszunutzen, während Frauen alle gut und vertrauenswürdig sind und Schwesternschaft das höchste Gut ist. Dies ist nicht nur falsch, sondern auch absolut unfair der Männerwelt gegenüber, es gab im Buch keinen einzigen ehrlichen Mann.

Schade, dass in Fayes Welt Männer insgesamt nicht gut wegkommen, denn Story und Schreibstil hatten durchaus Potenzial. Die Umsetzung hat mich leider aber nicht überzeugt.