Rezension

Fesselnd, aber merkwürdig

Uns gehört die Nacht
von Jardine Libaire

Elise und Jamey treffen in New Haven aufeinander und die Gegensätze zwischen dem Yale-Studenten und der Halb-Puerto Ricanerin könnte nicht gegensätzlicher sein. Er ein Spross des typisch amerikanischen Neuengland-Geldadels, mit Sommerhäusern in Newport oder den Hamptons, Ivy-League-College-Tradition, einem Patriarchen der über allem thront und die Familienmitglieder und deren Karrieren auf Spur hält. Ein wenig Schauspielerinnen- oder Stewardessen-Genetik hin und wieder findet man zwar für den Genpool als nicht abträglich und verzeihlich, solange der Schein nach außen gewahrt bleibt. Elise, aus sehr einfachen sozialen mit umso schwierigeren Familienverhältnissen, Gewalt, Drogen, Vorstrafen, viele Kinder von diversen Partnern in zu wenigen Zimmern, passt aber in keinem Fall in seine Biografie. Und doch fällt er ihr irgendwie auf, als sie in der Nachbarwohnung sieht, in der sie nach einer Phase des Umherstreunens und auch der Obdachlosigkeit gemeinsam mit dem homosexuellen Robbie eine eigenwillige Wohngemeinschaft begründet hat. Sie ist nicht nett zu ihm, sein Mitbewohner findet sie unmöglich und tendenziell bedrohlich – und doch verfällt er ihr. Was am Anfang wie eine sporadische Affäre beginnt, getrieben von ihrer offensiven Sexualität, die ihn stellenweise auch überfordert – sie will ihn, sie nimmt ihn sich - entwickelt sich tatsächlich zu einer Beziehung, die selbstverständlich seine Familie alarmiert und auf den Plan ruft. Jamey muss sich entscheiden, plant er sein weiteres Leben mit Elise und mit jeder Konsequenz, wird sein gesamtes bisheriges Leben auf ‚0‘ gestellt, radikal.

 

"Uns gehört die Nacht" ist die Geschichte einer ungewöhnlichen Beziehung mit ungleichen Partnern, gegensätzlichen Familienhintergründen - und irgendwie merkwürdig. Jardine Libaire schildert die Beziehung der beiden nüchtern, mit direkten und harten Worten – aber für mich ohne Gefühl. Ich fühle nichts zwischen den beiden, obwohl es doch da sein soll. Diese Beziehung hat für mich viel mehr obsessive Züge, eine alles verzehrende, selbstzerstörerische Energie als emotionale Tiefe. Ich sehe keine Gemeinsamkeit zwischen den beiden, nicht einmal Seelenverwandtschaft, die alle äußeren Umstände und Unterschiede egalisiert und überbrücken würde. Und so bleibt ihre Liebe, ihre Leidenschaft füreinander für mich persönlich irgendwie die ganze Zeit über nicht nachvollziehbar. Nichtsdestotrotz kann man dem Roman eine fesselnde Kraft nicht absprechen, insofern schafft es die Autorin sehr wohl, den Leser in diese Konstellation hineinzuziehen, wahrscheinlich auch gerade durch ihre unverblümte Ausdrucksweise (in meinen Augen an der ein oder anderen Stelle hätte ich auch durchaus auf die ein oder andere Körperflüssigkeit verzichten können, ich brauch das nicht so unmittelbar biologisch) und den fatalistisch ausgerichteten Gesamttenor des Plots. Dessen Ausgang ist – wiederum merkwürdig. Nicht unpassend, irgendwie, offen und genauso selbstzerstörerisch wie ich den gesamten Roman empfand.

Unpassend ist hingegen das Cover, ich denke durch die sehr oft erwähnte Schilderung eines charakteristischen äußerlichen Merkmals von Elise – ihre Zöpfe – kann man davon ausgehen, dass die junge Dame auf dem Cover kein bisschen so aussieht, wie man eigentlich die Protagonistin vor Augen hat. Und zu guter Letzt: den englischen Titel „White Fur“ muss man nach der Lektüre doch auch mal wieder weit passender finden als die im deutschen gewählte Bezeichnung, zumal diese im Gegensatz zum englischen Titel in meinen Augen keinen tieferen Sinn transportiert.

Fazit: fesselnd, dabei aber auch mitunter anstrengend. Ganz dem Charakter dieser Beziehung entsprechend.