Rezension

Fesselnd, atmosphärisch, ein absolutes Highlight!

The Poisonwood Bible
von Barbara Kingsolver

Bewertet mit 5 Sternen

Im Jahr 1959 geht der tiefgläubige, evangelikale Prediger Nathan Price mit seiner Familie in den belgischen Kongo, um dort im Dorf Kingala zu missionieren. Seine Frau Orleanna und die Töchter Rachel, Leah, Adah und Ruth May erleben eine völlig andere Kultur und Natur. Alle gehen auf ihre Art mit dem neuen Leben um, versuchen sich teilweise anzupassen oder möchten den „American Way of Life“ weiterleben. Vor allem Vater Nathan ist gefangen in seinen starren Glaubensansichten und möchte den Kongolesen sein Denken überstülpen. Die Familie erlebt die plötzliche Unabhängigkeit der belgischen Kolonie, die von den Europäern völlig unvorbereitet alleingelassen wurde. Sie erleben die Wahl des fortschrittlichen Patrice Lumumba zum Premierminister. Doch Lumumba, der die Eigenständigkeit des Kongos betont, ist im Kalten Krieg ein Dorn im Auge der Weißen. Mit den folgenden Wirren im Kongo zerbricht auch die Familie Price, lange aufgestaute Gefühle brechen sich nach einem tragischen Ereignis Bahn.

 

Bei uns ist „The Poisonwood Bible“ eher unbekannt, es gibt sogar zwei verschiedene Titel für das Buch. Im amerikanischen Raum gilt Barbara Kingsolvers Buch als moderner Klassiker. Mich hat es völlig begeistert, weil es alles hatte, was ich an einem Roman schätze: atmosphärische Beschreibungen des Lebens in Afrika, die Beschreibung historischer Begebenheiten, die mein Wissen bereichern und sympathische Protagonisten in einem fesselnden Plot.

 

Erzählt wird die Geschichte ausschließlich von den weiblichen Mitgliedern der Familie Price: von der eitlen und etwas unterbelichteten Rachel, der pragmatischen Leah, die ihren Vater vergöttert, der seit Geburt hinkenden Adah, die aber blitzgescheit und eine echte Querdenkerin ist, der jüngsten Schwester Ruth May und von Mutter Orleanna. Die Autorin hat jeder Protagonistin eine eigene Stimme verliehen, man kann sie gut auseinander halten. Jede beschreibt auch einen anderen Aspekt des Lebens in Kingala, so dass ein für den Leser allumfassendes Bild entsteht. Allen gemeinsam ist die Darstellung des Vaters als unangefochtener Patriarch, quasi ein Übervater. Er bestimmt, wo es langgeht, verteilt Strafen an die Mädchen, wird in nichts angefochten. Bis sein Bild nach und nach Risse bekommt und das dann auch seine Familie merkt. Nathan arbeitet eher gegen die Einheimischen und ist das typische Beispiel des arroganten Weißen, der sich für überlegen hält und dadurch Fehler begeht. Warum er so starrgläubig ist, wird aber auch erklärt, so dass alle Familienmitglieder komplexe Charaktere erhalten. Letztlich ist der „poisonwood“, der Giftholzbaum ein Symbol dafür, wie Nathan Price die Beziehung zu seiner Familie vergiftet.

Barbara Kingsolver bricht ganz klar eine Lanze für Afrika. Sie kennt die Region und die Menschen dort aus eigener Erfahrung. Ich fühlte mich nicht nur durch das tolle Cover meiner Ausgabe in den afrikanischen Dschungel versetzt. In den meisten Fällen und auch bei den historischen Ereignissen, die beschrieben werden, sind Europäer und Amerikaner die Schuldigen, was mittlerweile ja auch belegt ist (googelt mal Patrice Lumumba). Natürlich gab es auch Kongolesen, die sich schuldig machten, doch die Mehrheit der Bevölkerung war ein hilfloser Spielball der Mächte, sowohl zu Kolonialzeiten als auch danach. Die Autorin hat dies meiner Meinung nach sehr gut dargestellt und beschreibt den postkolonialen Kongo mit der kleptokratischen Herrschaft Joseph Mobutus bis zum Ende des Jahrhunderts. Kultur und Bräuche der Kongolesen werden neutral beschrieben, nicht als besser hervorgehoben. Die Beschneidung der Mädchen wird ebenso neutral und kurz erwähnt, doch hier ziehe ich keinen Punkt für die fehlende Anklage ab.

 

Mich hat „The Poisonwood Bible“ begeistert, ich kann es jedem empfehlen, vor allem auf englisch. So kommen Adahs Wortspiele sehr gut zur Geltung. Für mich ist es ein neues Lieblingsbuch!