Rezension

Fesselnd und überaus interessant

So unselig schön - Inge Löhnig

So unselig schön
von Inge Löhnig

Bewertet mit 4.5 Sternen

In einer verfallenen Brauerei im Süden Münchens findet die junge Fotografin Vicki die enthauptete Leiche einer Frau. Kommissar Dühnfort wird schnell klar, dass dies nicht der erste Mord eines Täter ist, der von Bildern besessen sein muss. Vicki, die auf eigene Faust ermittelt, kommt dem Mörder schließlich nahe – zu nahe.

DUNKLER HAARE MASSEN...

Kommissar Dühnforts dritter Fall führt ihn in die Kunstszene. In einer leerstehenden Brauerei im Süden Münchens wird die Leiche einer Frau gefunden. Man hat sie ausbluten lassen und ihr den Kopf abgetrennt. Farbspuren am Torso legen nahe, dass der Täter malt.
Vicki Senger, die Frau, die die Tote entdeckt hat, ist eine 22-Jährige mit bewegter Biographie: Vater unbekannt, Mutter früh verstorben, im Heim aufgewachsen. Ihre erste Liebe kam bei einem Unfall ums Leben. Inzwischen hat Vicki ihr Leben im Griff und betreibt als Hobby "urban exploring": Sie fotografiert in verlassenen Gebäuden und Industrieruinen.

Bei ihren Ermittlungen stoßen Dühnfort und sein Team auf einen ähnlichen Mord, der sechs Jahre zuvor in Düsseldorf verübt wurde. Damals verdächtigte man einen Studenten der Kunsthochschule, der heute als der Maler "Carne" sein Kindheitstrauma mit brutalen Schlachthausdarstellungen zu verarbeiten sucht. Zwei weitere Männer geraten ebenfalls ins Visier der Ermittler: René Fuhrmann, ein Schönheitschirurg, und Jobst Wernegg, der eine wohltätige Stiftung leitet. Sie sind befreundet und sammeln beide altmeisterliche Vanitasgemälde.
Auch Vicki geht die Tote nicht aus dem Kopf. Auf einem der Fotos, die sie in der Brauerei gemacht hat, entdeckt sie einen Hinweis, der mit dem Mord zu tun haben könnte. Ohne die Polizei einzuschalten, beginnt sie zu recherchieren...

Im dritten Fall um Kommissar Dühnfort scheinen alle Spuren in eine Sackgasse zu verlaufen. Düster und geheimnisvoll geht es zu in diesem Krimi, Baudelaires Werk "Les fleurs du mal" spielt dabei eine ebenso bedeutende Rolle wie die Vanitas-Stillleben des 17. Jahrhunderts mit ihrer tiefgründigen Symbolik.
Neben den polizeilichen Ermittlungen gilt ein weiterer bestimmender Erzählstrang der Zeugin Vicki Senger, die auf eigene Faust versucht, Spuren nachzugehen und sich dadurch in Gefahr begibt. Imponierend, wie es Inge Löhnig immer wieder gelingt, Charaktere nahezu plastisch vor Augen zu führen und sie mit Leben zu füllen. Vicki ist eine Person, die man zwischendurch einfach nur in den Arm nehmen möchte, die man aber für ihren Lebenswillen und ihre Spontaneität auch wirklich bewundern kann. Gegen Ende möchte man ihr warnend zurufen, kann sie aber nur lesend begleiten und das Beste hoffen...

Inge Löhnig schafft jedesmal wieder den Spagat zwischen der meist spannenden Ermittlungsarbeit und dem privaten Leben der Ermittler. Dabei verknüpft die Autorin geschickt aktuelle Ereignisse mit solchen aus den vergangenen Bänden, so dass hier eine Chronologie erkennbar ist.
Dühnfort, der einfach grüblerisch veranlagt ist, steht sich beziehungsmäßig einmal mehr selbst im Wege - und man möchte ihn das ein oder andere Mal schütteln und ihm zurufen: Du Depp! Aber sympathisch ist er allemal, und so bleibt wohl nur, den nächsten Band der Reihe zu lesen, um zu erfahren, ob er endlich eine Entscheidung zu treffen in der Lage ist.

Noch bei keinem Krimi zuvor habe ich derart viel recherchiert und gegoogelt wie in diesem. So habe ich z.B. Baudelaires "(Die) Blumen des Bösen" ausfindig gemacht und die für den Krimi wichtigen Verse gelesen: http://gutenberg.spiegel.de/buch/1363/1
Aber auch die Stilrichtung "Vanitas" in der Malerei habe ich erkundet, da sie mir bislang unbekannt war.

Gerade zum Thema Natura mortis hat auch Inge Löhnig auf ihrem Blog etwas gepostet (nachzulesen unter http://ingeloehnig.blogspot.de/2008/04/natura-morta.html ):
"Für Dühnforts dritten Fall beschäftige ich mich mit der Stilllebenmalerei des 17. Jahrhunderts. Natura Morta. Vanitas. Bisher waren diese Bilder für mich schön. Mehr nicht. Ich habe mir nie viele Gedanken über diese Art von Malerei gemacht, sie nie richtig wahrgenommen und stelle nun fest: Diese Bilder enthalten verschlüsselte Botschaften, die ich als Laie nie erkannt habe, nie erkennen konnte. Es ist spannend sich mit der Bedeutung von Natursymbolen in der Kunst vertraut zu machen, die uns leider während der Aufklärung abhanden kam. Damals ging etwas verloren. "... der Sinn für die mysteriösen und magischen Verbindungen der Geschöpfe untereinander, der offen ist für das Unvorhergesehene, Phantastische, Ungeheuerliche ...", wie Lucia Impelluso in ihrem Buch Die Natur und ihre Symbole schreibt. Und das - vor allem das Ungeheurliche - ist Nahrung für meine Phantasie."

Insgesamt ein sehr flüssig zu lesender, fesselnder und überaus interessanter Krimi, der große Lust macht auf mehr Bücher aus der Dühnfort-Reihe!

Bisher sind folgende Bände erschienen:
1. Der Sünde Sold
2. In weißer Stille
3. So unselig schön
4. Schuld währt ewig
5. Verflucht seist du

Band 6 ist lt. Autorin in Arbeit.

© Parden