Rezension

Fesselnde Familiengeschichte

All die Jahre
von J. Courtney Sullivan

Bewertet mit 4.5 Sternen

Nora und ihre jüngere Schwester Theresa wandern in den 1950er Jahren aus Irland nach Amerika aus, dort wartet Charlie, Noras Verlobter. Theresa möchte Lehrerin werden, aber dann wird sie schwanger. Für ein katholisches irisches Mädchen damals eine Katastrophe! Dazu kommt, dass sich herausstellt, dass der werdende Vater verheiratet ist und auch seine Frau ein Kind erwartet. Theresa geht in ein Heim für ledige Mütter, das Kind soll zur Adoption freigegeben werden. Doch dann entschließt sich Nora das Kind Patrick als ihr eigenes aufzuziehen. Nach einigen Umwegen landet Theresa als Nonne in einem abgeschiedenen Kloster, der Kontakt zu ihrem Kind und dessen Familie bricht ab. Erst als Patrick bei einem Autounfall ums Leben kommt, nimmt Nora wieder Kontakt zu ihrer Schwester auf.
Das Buch ist für mich einer der Höhepunkte dieses Jahres. Es ist einfühlsam und realistisch geschrieben, die Charaktere sind hervorragend dicht geschildert.
Immer wieder geht es um die Frage, welche Geheimnisse man in einer Familie verbergen kann, ab wann man mit dem Schweigen den anderen schadet. Psychologen nehmen ja an, dass sich solche Familiengeheimnisse als schwere Bürde durch die Generationen ziehen und zu Angststörungen und Depressionen führen können. Auch die Zeitumstände in den 1950er Jahren im katholischen Milieu sind sehr realistisch beschrieben, der Wunsch nach einer Erneuerung durch das Konzil, die vielen Skandale um missbrauchte Kinder...
Dazu ist das Buch durch den Wechsel der Perspektiven und Zeiten sehr lebendig geschrieben, ohne verwirrend zu sein.
Ein ganz hervorragendes Buch, dass ich allen Leserinnen und Lesern wärmstens ans Herz lebe!