Rezension

Fesselnde Geschichte, die bis auf den Schluss überzeugt

Kingsbridge - Der Morgen einer neuen Zeit - Ken Follett

Kingsbridge - Der Morgen einer neuen Zeit
von Ken Follett

Bewertet mit 4 Sternen

997, England. Die Dänen fallen immer wieder in Küstenorten Englands ein, rauben und töten erbarmungslos, so auch in Combe. Edgar, ein junger Bootsbauer wollte sich mit seiner großen Liebe absetzen, doch dann fallen die Dänen ein und zerstören neben der Lebensgrundlage seiner Familie auch all seine Träume. Doch die Familie bekommt einen Ausweg geboten und zieht nach Dreng´s Ferry. Ihr Land ist schlecht und in dem kleinen Ort scheint so manches nicht mit rechten Dingen zuzugehen. Eine weitere zentrale Figur ist Ragna, eine normannische Adelstochter, die der Liebe wegen die Normandie verlässt und in England den Aldermann Wilf heiratet. Die starke, junge Frau heiratet gegen den Willen ihrer Eltern und auch in England erwarten sie einige Überraschungen…

Die Geschichte zur Entstehung von Kingsbridge ist eine Reise in die „Dark Ages“, die Follett vortrefflich in Szene setzt. Der Leser verfolgt in dem über 1000-Seiten starken Buch die Geschehnisse über ein Jahrzehnt aus allen möglichen gesellschaftlichen Schichten Englands. Schon zu Beginn hatte mich der Autor mit einem seiner Protagonisten und dem Drama, das den Beginn markiert und den Ausgangspunkt für alles Folgende legt, voll für sich eingenommen. Davon sollten noch viele weitere Aspekte folgen.

Der Schreibstil ist fesselnd und Follett schreibt sehr leicht nachvollziehbar, sodass selbst Leser ohne tiefe historische Vorkenntnisse folgen können und auch die Personen sind – wenngleich es schon einige sind- gut auseinander zu halten. Die Abenteuer und Erlebnisse der Protagonisten sind vielseitig, zum einen gibt es Einblicke in das einfache Leben, aber auch in das des Adels. Mittels Nebencharakteren werden auch die Lebenswelten von Sklaven oder Erzbischöfen verdeutlicht. Schnell zeigt sich: In allen gesellschaftlichen Schichten gibt es Verrat, Missgunst und Machtgier. Das führt nicht selten zu Verbrechen, die aus heutiger Sicht einfach unglaublich sind, damals wohl aber eine gewisse Normalität darstellten. Doch nicht nur die vielen Personen, sondern auch die vielen Handlungsstränge, die nach und nach zusammenfinden, sind nachvollziehbar

Das England, welches Follett hier entwickelt hat, erscheint mir sehr authentisch. Ob es so war? Das weiß niemand mangels historischer Belege, aber selbst für den Fall, dass Follett danebenliegen sollte, so hat er doch ein starkes und überzeugendes Bild gezeichnet.

Auch wenn mir das Buch insgesamt sehr zugesagt und mich über mindestens Dreiviertel sehr gut unterhalten hat, habe ich auch einige Kritikpunkte. Zum einen sind die Personen zu sehr gut oder böse. Es fehlen fast vollständig die Abstufungen, kaum einer fällt mal aus der Rolle und das Ende ist zu sehr Happy End. Ich werde nicht ins Detail gehen, um nicht zu spoilern, aber einiges war einfach ziemlich vorhersehbar und ein bisschen zu märchen- und klischeehaft. Zudem hat mich am Ende gestört, dass mich das Gefühl beschlich, dass das Buch schnell zu Ende gebracht werden muss. Und trotzdem: Es hat insgesamt den Lesegenuss in Summe nicht geschmälert. Über weite Strecken hat mich das Geschehen, auch wenn es teils abscheulich und brutal war, so gefesselt, dass ich das Buch nicht mehr aus den Händen legen wollte und völlig die Zeit vergessen habe.

Die gesamte Aufmachung des Buches hat mich sehr überzeugt, aber das darf man bei dem recht stolzen Preis von 36 Euro für das HC wohl auch erwarten.