Rezension

Fesselnder historischer Roman

Der scharlachrote Löwe - Elizabeth Chadwick

Der scharlachrote Löwe
von Elizabeth Chadwick

Bewertet mit 5 Sternen

Nach "Der Ritter der Königin" ist dieses Buch der zweite Teil der Lebensgeschichte des englischen Ritters William Marshal. Der Forsetzungsband nimmt seine Geschichte im Jahre 1197 wieder auf. Im Frühjahr bringt seine Ehefau Isabelle de Clare das gemeinsame vierte Kind zur Welt. William kann leider nicht dabei sein, da er für den englischen König Richard als Berater fungiert und ihn als sein hochrangister Ritter auf dem Sommerfeldzug begleitet. William Marshal genießt das uneingeschränkte Vertrauen des Königs und ist durch seine Heirat mit der Erbin Richard de Clares, von einem einfachen Ritter ohne Landbesitz, zu einem der mächtigsten Adeligen des Königreichs aufgestiegen. Er besitzt nun Ländereien in Wales, England, Frankreich und Irland. Endlich scheint er vom Glück begünstigt, denn seine Ehe mit Isabelle verläuft glücklich und auch das Leben an der Seite des englischen Königs Richard basiert auf gegenseitigem Vertrauen.

Doch dann stirbt Richard Löwenherz an den Folgen einer Verwundung und sein Bruder Johann Ohneland folgt ihm , als jüngster Sohn von König Heinrich und Eleonore von Aquitanien, auf den Thron. Ein Konflikt aus Johanns Jugendjahren schwelt noch immer bedrohlich zwischen William Marshal und dem neuen König. Zwar ernennt Johann den Ritter zum Earl of Pembroke, doch er bleibt ihm gegenüber sehr misstrauisch. Als William dem französischen König den Lehnseid für seine Ländereien in der Normandie schwört, beginnt eine schwierige Gratwanderung für den Earl of Pembroke und seine Familie, denn nun sucht König Johann nach einem Grund für sein Misstrauen. Da am Hof bereits einige Neider darauf warten, den ehemals unbedeutenden Ritter Marshal wieder zu stürzen, gerät seine Familie und seiner gesamter Besitz in Gefahr.

Gemeinsam mit seiner Familie zieht William Marshal sich auf Isabelles irische Ländereien zurück. Doch auch dort versucht man seiner Frau und ihm die Gefolgschaft zu verweigern. König Johanns machtgieriger und misstrauischer Arm reicht bis nach Irland. Zum Zeichen seiner Ergebenheit und seiner bedingungslosen Treue, fordert Johann einen Pfand von den Marshals und nimmt deshalb zwei Söhne in seinen Hofstaat auf. Obwohl er niemals Anlass dazu hatte, an der Treue William Marshals zu zweifeln, nimmt er ihm die Söhne als Garant für bedingungslose Gefolgsamkeit.

Isabelle zerreisst es fast das Herz, als sie ihre Söhne an den Hof ziehen lassen muss. Sie hätte dem englischen König getrotzt und ihm die Söhne verweigert, doch William trifft diese folgenschwere Entscheidung ohne sie. Dies stürzt ihre sonst so glückliche Ehe in eine tiefe Krise....

Bereits im ersten Band gelang es der Autorin, das Mittelalter zum Leben zu erwecken und das Wirken und Handeln der historisch belegten Persönlichkeiten zu beschreiben. Auch in diesem zweiten Teil, der sich mit den letzten Lebensjahren des eindrucksvollen und königstreuen Ritters befasst, wurde ich in dieser Hinsicht nicht enttäuscht.

Das Leben eines Adligen, dessen Existenz durch Neid und Missgunst bedroht wird und auch sein umsichtiges und loyales Verhalten wurden eindrucksvoll beschrieben. Denn obwohl König Johann ihn ungerecht behandelt und ständig versucht ihn in die Enge zu treiben, hält Marshal an seinem geleisteten Treueeid fest. Er wird hier aber auch keinesfalls als Ritter ohne Fehl und Tadel dargestellt, denn natürlich stehen auch seine Interessen und die seiner Familie für ihn im Vordergrund.

Obwohl dieser Roman mit seinen 600 Seiten nicht gerade dünn ist, wurde er von mir an wenigen Abenden verschlungen. Denn der flüssige Schreibstil und die eindrucksvoll beschriebenen Handlungen und Gebräuche entführten mich zurück ins Mittelalter. Ob nun alle Gebräuche, Sitten, Kleidungstücke oder Kriegsgeräte, historisch korrekt beschrieben wurden, kann ich leider nicht beurteilen. Wie man im Nachwort lesen kann, hat sich die Autorin jedenfalls sehr darum bemüht. Mich stört ein wenig schriftstellerische Freiheit jedenfalls nicht, da ich ja einen historischen Roman und keine wissenschaftliche Abhandlung lesen wollte.

Dieser historische Roman beschreibt das Leben des Ritters, auch Kriegszüge, Belagerungen oder politische Gratwanderungen werden thematisiert. Sehr angenehm empfand ich, dass hier keine Herz-Schmerz-Liebesgeschichte eingeflochten wurde. William Marshal und seine Ehefrau lieben und achten sich, doch die Beschreibung ihrer Beziehung nimmt keinesfalls Überhand. Trotzdem ist die Handlung, meiner Meinung nach, durchgehend fesselnd. Da in diesem Teil die letzten Lebensjahre des Ritters beschrieben werden, kommen die Gefühle am Ende des Buchs dennoch nicht zu kurz.