Rezension

Fesselnder Polit-Thriller

Lena Halberg: Der Cellist - Ernest Nyborg

Lena Halberg: Der Cellist
von Ernest Nyborg

Bewertet mit 5 Sternen

„...Es gibt eine Parallelwelt der Geldelite, die mit unserer Realität nichts mehr zu tun hat. Die oben können inzwischen machen, was sie wollen. Und sie tun es aus Machtstreben, aus Geltungssucht oder einer ständigen Angst, den Hals nicht voll genug zu bekommen...“

 

Das Buch beginnt mit einem Bergwerksunglück in Bolivien. Zufällig ist Carlos Almeda, ein junger Offizier, vor Ort. Er rettet Verschüttete und bekommt mit, dass das Unglück inszeniert war. Doch nach der Sprengung der Mine lässt sich nichts mehr beweisen. Deshalb gibt es auch für die betroffenen Bergleute und ihre Familien keine Hilfe.

Lena Halberg lebt als Journalistin bei ihrem Freund Tom in Bozen. Als sie liest, dass sich der Direktor der Bank von Estland in Wien erhängt hat, läuten bei ihr sämtliche Alarmglocken, denn sie weiß, dass diese Bank in den Panama – Papers genannt wird. Außerdem hatte der Mann ein Flugticket nach Kuba in der Tasche. Warum also sollte er sich umbringen?

Der Autor hat erneut einen fesselnden und hochaktuellen Thriller geschrieben. Dabei erlaubt er mir einerseits einen Blick in die Hochfinanz, andererseits erfahre ich, wie die hochindustrialisierten Länder versuchen, ihren Rohstoffbedarf zu sichern.

Der abwechslungsreiche Schriftstil lässt sich angenehm lesen.

Sehr genau werden die Protagonisten charakterisiert. Eine ist die Lobbyistin Ivy Schillman. Das folgende Zitat gibt ihre Einstellung wieder:

 

„...Die Welt der Ivy Schillman bestand aus zwei Kategorien von Dingen: solche, die man besaß, und solche, die man haben wollte...“

 

Ivy gehört zu den Handlangern des Bankers Kurkov. Er hat in der Bank von Estland das Sagen. Der tote Direktor war sein Untergebener. Nach außen hin gibt sich Kurkov als Kunstmäzen, nebenbei betreibt er dunkle Geschäfte, die so weit gehen, das er Schulden aufkauft, um Staaten in den Bankrott zu treiben. Dann nämlich sind sie gezwungen, ihre Rohstoffe zu Dumpingpreisen abzugeben. Und er kann sie an Meistbietende weiterreichen. Außerdem hat er in fast jedem schmutzigen Geschäft seine Finger drin. Hawk fasst das kurz so zusammen:

 

„...Die Spuren, die das Geld hinterlässt, sind oft todbringend...“

 

Ich darf Lena auf ihrer Reise nach Estland begleiten und muss dabei feststellen, dass die Regeln der EU dort sehr willkürlich ausgelegt werden. Das gilt insbesondere für die Pressefreiheit. Außerdem blüht die Korruption. Allerdings reagiert Lena auf Behinderung gekonnt zynisch.

Der Autor hat seinem Buch einen ganz besonderen Aufbau gegeben. Es ist in vier Kapitel gegliedert. Jedem dieser Teile wird eine kurze Zusammenfassung des entsprechenden Satzes der Sonate für Violincello und Klavier in d-Moll von Dmitri Schostakowitsch vorangestellt.

Einen Ausschnitt aus dem ersten Satz mit der Überschrift „Bedrohung“möchte ich zitieren:

 

„...Wirkt das Geschehen an der Oberfläche harmlos und gefällig, führt es in Wahrheit erbarmungslos in ein unabwendbares Schicksal ohne jegliche Seele...“

 

Es lohnt sich, nach dem Lesen des entsprechenden Kapitels zu der Interpretation der Sonate zurückzublättern. Es lassen sich erstaunliche Parallelen zur Handlung finden.

Die verschiedenen Handlungsstränge werden gekonnt zusammengeführt. Am Ende bleibt keine Frage offen.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es verfügt über einen hohen Spannungsbogen, greift einige heiße Eisen auf und zeigt, was in unserer Welt so alles schief läuft.