Rezension

Fesselndes Familiendrama in Geisterhand

Im Licht des Augenblicks - Garth Stein

Im Licht des Augenblicks
von Garth Stein

Nach einer kleinen Familienkrise zieht der 14-jährige Trevor Riddell mit seinem Vater Jones vorübergehend von Connecticut nach Seattle. Im sogenannten North-Estate wohnen Trevors Tante Serena und Opa Samuel auf dem alten Familienanwesen, die sie dort aufnehmen. Jones und Serena wollen das große Grundstück zerschlagen und verkaufen, doch dazu müssen sie Opa Samuel, der an Alzheimer erkrankt ist, dazu bringen ihnen eine Handlungsvollmacht zu unterschreiben. Dabei soll Trevor nun helfen, doch Samuels etwas merkwürdige Art lässt ihn neugierig werden. Schnell merkt er, dass in diesem Haus etwas nicht stimmt. Gegenstände verschwinden, Türen öffnen sich von selbst, und auch seine Tante Serena scheint irgendetwas zu verbergen. Beim durchstöbern des Hauses findet Trevor alte Zeitungsartikel, Briefe und Tagebücher, mit deren Hilfe er viel über die Vergangenheit seiner Vorfahren erfährt. Und dann wird es spannend: Trevor entdeckt einen Geheimgang und trifft in einem vergessenen Zimmer zum ersten Mal einen Geist. Wem soll er nun glauben? Was ist zu tun? Trevor macht sich an die Arbeit die vielen Geheimnisse der Vergangenheit zu lüften.

 

Zu Beginn hatte ich etwas Schwierigkeiten in die Geschichte hineinzufinden. Der Schreibstil gefällt mir gut und ich konnte mich schnell mit dem Ich-Erzähler Trevor identifizieren und mit ihm mitfühlen. Jedoch werden in den ersten Kapiteln viele Geschichten und Ereignisse aus der Vergangenheit angedeutet aber nicht weiter ausgeführt, was es erschwert den eigentlichen Handlungsstrang auszumachen. Diese offenen Geschichten werden bald erklärt, viele davon sind es jedoch für mein Empfinden nicht wert, sie als spannungsanregende Elemente zu verwenden, da sie für die Haupthandlung nicht gerade wichtig sind und nur als Hintergrundinformation hilfreich wären. Dieses Problem legt sich jedoch bald und man kann sich vollends auf die Handlung konzentrieren.

Besonders gut gefällt mir wie der Autor die mystischen und übernatürlichen Handlungen ins Alltägliche und „Normale“ mit einbindet; man bekommt richtiggehend das Gefühl, dass diese Geister auch in der wirklichen Welt existieren. Dabei trifft er eine gute Balance zwischen den verschiedenen Bereichen, sodass es beim Lesen nie zu spannend wird (wie in einem Thriller) aber immer fesselnd bleibt. Auch die menschliche, emotionale Komponente baut er gut ein, besonders die Gedanken und Gefühle des pubertierenden Trevor für seine junge und attraktive Tante, sein Bedürfnis von seinem Vater und Opa gemocht zu werden und den Wunsch seine Eltern wieder zusammen zu bringen. Auch die Bindung zu den Geistern, besonders zu seinem Urgroßonkel Ben, wird immer enger und zieht sowohl Trevor als auch den Leser in den Bann der Geschichte.

Opa Samuel nimmt eine etwas geheimnisvolle Rolle ein. Obwohl er anfangs wie ein alter Griesgram wirkt, versteht Trevor sich direkt sehr gut mit ihm. Er ist der einzige im Haus, der, genau wie Trevor, an Geister und Seelen glaubt. Obwohl sein Handeln durch die Alzheimererkrankung oft sehr wirr ist, glaubt Trevor daran, dass Opa Samuel nicht nur phantasiert – er interessiert sich für seine Meinung, die von Serena häufig unterdrückt wird. Die enge Beziehung zwischen Trevor und seinem Opa nimmt großen Einfluss auf die Geschichte.

Auffällig war auch, wie erwachsen und wagemutig sich Trevor in vielen Situationen verhält. Für sein Alter scheint nicht nur der Mut, wie er sich in den dunkelsten Ecken des Hauses herumtreibt, sondern auch mit welcher Logik und Vernunft er den Erwachsenen in Gesprächen begegnet, oft etwas unrealistisch, es scheint die Abenteuerlust eines „normalen“ 14-Jährigen zu überschreiten. Dies empfand ich beim Lesen jedoch keineswegs als störend, im Gegenteil sogar eher förderlich für die Spannung und den Fortgang der Handlung.

Was ich mir jedoch etwas anders gewünscht hätte, ist das Ende – damit meine ich nicht das, was geschieht, sondern wie es erzählt wird. Das Buch endet für mein Empfinden sehr abrupt und die Auflösung der verschiedenen Geheimnisse und Geschichten folgt erst im Epilog. Hier hätte ich mir vor dem Epilog noch ein paar Seiten mehr gewünscht. Ob es nun ein Happy End oder doch eher eine Tragödie ist, muss wohl jeder Leser für sich selbst entscheiden. Für mich hat es von beidem etwas, aber ich will natürlich nicht zu viel verraten :P

Insgesamt kann ich auf jeden Fall für jeden, der es gerne etwas mystisch und geheimnisvoll mag, mit Überzeugung eine Leseempfehlung aussprechen. Bei mir landet dieses Buch auf jeden Fall auf meiner Favoritenliste!