Rezension

Fesselndes Porträt eines hochinteressanten Mannes, für Tier- und Naturfreunde ein Muss

Der Elefantenflüsterer - Lawrence Anthony, Graham Spence

Der Elefantenflüsterer
von Laurence Anthony Graham Spence

Bewertet mit 5 Sternen

»Bitte tu’s nicht, Mädchen.« Ich spürte, wie mich ihre Augen durchbohrten, obwohl ich in der Finsternis ihr Gesicht kaum ausmachen konnte. »Sie werden dich töten, wenn du ausbrichst. Das ist jetzt dein Zuhause. Du musst nicht mehr davonlaufen.«

1999, im Tierreservat Thula Thula, im Herzen von Zululand, Südafrika. Anthony Lawrence, geboren und aufgewachsen in Afrika, hat sich ein großes Ziel gesetzt: in seinem Tierreservat, einem früheren Jagdrevier, soll kein Tier mehr erschossen werden. Für dieses Ziel ist er rund um die Uhr im Einsatz, Wilderer machen ihm das Leben schwer. Und dann noch dieser Hilferuf! Für eine Herde verhaltensauffälliger Wildelefanten wird händeringend ein neues Reservat gesucht. Anthony hat keine Ahnung, wie er diese Aufgabe bewältigen soll, aber eins ist ihm klar: wenn er die Herde, bestehend aus erwachsenen Kühen, einigen Halbwüchsigen und einem Baby nicht aufnimmt, werden alle erschossen. Und wenn er es nicht schafft, die Tiere zu beruhigen, ebenfalls. Anthony macht sich an die Arbeit. Noch nicht ahnend, wie die Elefanten sein ganzes Leben beeinflussen werden…

 

Was für ein großartiges Buch! Und was für einen bewundernswerten Mann durfte ich hier kennenlernen! Wenn er seine Geschichte erzählt, macht er dabei dasselbe, was er auch im Leben getan hat, er stellt die Tiere in den Mittelpunkt. Offen gestanden wunderte ich mich kein bisschen, dass er im Alter von nur 61 Jahren an einem Herzinfarkt verstarb. Ich glaube, um sich selber hat er sich überhaupt nie gekümmert, sich stattdessen fortwährend und bis zur körperlichen und seelischen Erschöpfung für Tiere engagiert.

 

Was hat er dabei alles geschafft? Er hat einen Zugang zu traumatisierten Elefanten gefunden und ihnen ein Weiterleben in seinem Reservat ermöglicht. Dabei musste er sich intensiv mit dem Thema Kommunikation auseinandersetzen. Wie funktioniert diese unterhalb der Elefanten? Und wie zwischen Mensch und Tier? Sensibel widmet er sich diesen Fragen, seine Ausführungen fand ich hochinteressant. Bemerkenswert ist zudem, dass er sich immer wieder auf sein Bauchgefühl verließ, manches Mal entgegen der Meinung von Experten. Und dass er dabei stets im Auge behielt, dass die Tiere wilde Tiere bleiben sollen.

 

Viele Menschen hätte alleine diese Aufgabe ausgefüllt, aber Anthony Lawrence tat noch viel mehr. Neben dem stetigen Kampf gegen Wilderer stand er in regelmäßigem Kontakt zu den in seinem Umfeld lebenden Stämmen. Dabei fand er sich manches Mal im Mittelpunkt von Stammeszwistigkeiten wieder, musste sich mutig behaupten und immer wieder einen Weg der Zusammenarbeit finden. Er trug maßgeblich zur Gründung neuer Reservate bei, die sowohl die Tiere schützen als auch helfen, den dort lebenden Menschen durch Öko-Tourismus ein regelmäßiges Einkommen zu verschaffen.

 

Seine Liebe und Achtung galt ausnahmslos jedem Tier. Fand er eine Giftschlange in seinem Schlafzimmer, trug er sie vorsichtig aus dem Haus. Und als er 2003 einen Bericht über den durch Bombenangriffe zerstörten Zoo in Bagdad sah, flog er kurzentschlossen dorthin, um vor Ort den hungernden und verletzten Tieren zu helfen. Er gründete eine Umweltschutzorganisation „The Earth Organization“ und erhielt für sein Engagement diverse Auszeichnungen.

Es heißt, als er 2012 starb, kamen Elefanten zu seinem Haus und trauerten um ihn wie um ein Herdenmitglied.

 

Fazit: Fesselndes Porträt eines hochinteressanten Mannes, für Tier- und Naturfreunde ein Muss. Sehr schön geschrieben und mit insgesamt acht Seiten beeindruckender und teils persönlicher Farbfotos als Sahnehäubchen.

 

»In unseren lauten, hektischen Städten sind viele Dinge verloren gegangen, die unsere Vorfahren noch intuitiv wussten: dass die Wildnis lebendig ist, dass ihr Flüstern für alle Lebewesen hörbar ist – und dass alle darauf antworten können.«