Rezension

Fikri Anil Altintas hat mich berührt

Im Morgen wächst ein Birnbaum -

Im Morgen wächst ein Birnbaum
von Fikri Anıl Altıntaş

Bewertet mit 4 Sternen

Wenn Anil in den Ferien mit seinen Eltern in der Türkei ist, betrachtet er den Birnbaum, den sein Vater damals gepflanzt hat, um Anil daran zu erinnern: wer er ist, wohin er gehört und wohin er wachsen soll.

Sein Vater floh 1980, nach dem Militärputsch nach Deutschland. Seine älteste Tochter ließ er zurück. Er fand bald ein Anstellung als Türkischlehrer. Abends spielte er auf der Saz, sang die Lieder über Liebe, Sehnsucht und Freiheit und weinte dabei. Er fand keine Wohnung für seine kleine Familie. Sobald die Leute sahen, dass sie nicht von hier waren, schlugen sie ihm die Türe vor der Nase zu, also blieben sie zuerst einmal im Plattenbau. 

In den Sommermonaten waren sie am liebsten in ihrem Schrebergarten in Wetzlar, doch nach einigen Einbrüchen, hatte jemand Hakenkreuze an die Türen gesprüht. Statt sich zu wehren schwiegen sie laut, die Angst war größer, als das Bedürfnis nach Gerechtigkeit. 

Anil verkauft in der Schule, für 70 Cent das Stück, die Lamacun, die seine Mutter buk. Sein Vater sagt ihm streng, er bekäme ab morgen Geld, um sich am Kiosk etwas kaufen zu können, er solle nichts mehr verkaufen, die Lehrer hätten ihn gesehen. 

Für mich war es ein unbedeutsamer Versuch, ein bisschen Taschengeld zu verdienen. Für ihn war es das bittere Eingeständnis, seinem Sohn und dessen Wünschen nicht gerecht zu werden. S. 60

Während Anil heranwächst, versucht er seinen Vater zu verkörpern. Er versteckt seine Tränen, wie sein Vater, spricht nicht über Dinge, die ihm unangenehm sind, wie er. Erst als er seinen eigenen Weg geht und sich Hilfe sucht, um seine tiefe Traurigkeit zu überwinden, spürt er das Gewicht, der elterlichen Erwartungen. Doch er ist nicht bereit zu heiraten, Familie zu gründen, ein Haus in Deutschland, und eins in der Türkei zu bauen. 

Fazit: Fikri Anil Altinas hat mich berührt. Er hat mir einen Blick auf seine Türkischen Wurzeln gewährt, mir etwas über seine Kultur erzählt. Ich mag die Idee, dass Männer ihre Vorstellung des Männlichseins hinterfragen, sehr. Die Welt wäre ein friedvollerer Ort, würden das mehr praktizieren. Er hat mir verständlich machen können, wie schwierig es ist, seine Heimat verlassen zu müssen und sich einem völlig anderen Kulturkreis anzupassen. Die Zerrissenheit und Einsamkeit, die diese Entwurzelung mit sich bringt sitzt tief und wird an die nächsten Generationen weitergegeben. 

Die Liebe zu den Eltern und Achtung vor dem Alter berührt mich ebensosehr, weil es etwas ist, das in meinem Land verloren gegangen ist. 

Ich mag den Schreibstil, der zu Anfang mit ganz einfachen Sätzen daher kommt, und ab Mitte des Buches so wundervoll eigen und blumig wird. 

Es geht darum, sich jeden Moment zu fragen, ob wir uns in der Unschärfe finden können, oder ob wir ihr entfliehen und loslassen wollen, um uns von dem Gewicht, nie fertig erzählt zu sein, zu befreien. S. 138