Rezension

Fiktion oder Wahrheit?

Die Fakultät
von Pablo De Santis

Bewertet mit 5 Sternen

Zu diesem Buch
Homero Brocca ist ein genialer Schriftsteller. Niemand hat ihn je gesehen, nirgends gibt es Bücher von ihm. Seine Texte existieren nur in unendlichen Varianten. Als der junge Esteban Miró seine erste wissenschaftliche Stelle im labyrinthischen alten Fakultätsgebäude antritt, in dem nur noch obskure Institute ihr Dasein fristen, ahnt er noch nicht, dass er in einen gnadenlosen Kampf um den seltsamen Autor hineingezogen wird. Die wissenschaftlichen Gralshüter von Broccas möglicherweise gar nicht existierenden Werken schrecken vor nichts zurück. 

Über den Autor
Pablo De Santis, geboren 1963 in Buenos Aires, arbeitete lange als Drehbuchautor fürs Fernsehen, schrieb - in guter argentinischer Tradition - Comicszenarios und wurde mit Jugendbüchern bekannt. Mit den beiden Romanen "Die Fakultät" und "Die Übersetzung" schaffte er den internationalen Durchbruch.

Auszug aus einem langen Interview im Buch (Zitat)

Auf die Frage von Fritz Klinggräff, der das Interview führte,
"Die Übersetzung und jetzt die Die Fakultät werden in Deutschland als Kriminalromane rezipiert. Sind sie damit einverstanden? Haben Sie sich bewusst dieses Genres bedient?"

antwortet De Santis:
Das Genre ist mir ziemlich egal. Aber natürlich hat die Detektivgeschichte für jeden zeitgenössischen Schriftsteller einen hohen Reiz. Denn keiner von uns kommt an der Tatsache vorbei, dass die so genannte Literatur heute unter einem prekären Mangel an Form leidet. Es fehlt der Formenkanon. Das ist eine Binsenwahrheit. So können wir Schriftsteller eigentlich nur dankbar dafür sein, dass es den Rettungsanker der Detektivgeschichte gibt - und es gibt heutzutage ja auch kaum noch einen großen Schriftsteller, der nicht mit dem Formrepertoire des Kriminalromans spielt. Wobei ich hier natürlich nicht vom zeitgenössischen Krimi spreche, sondern von der Tradition des englischen whodunnit, also von der klassischen Detektivgeschichte mit ihrem strengen Formenkanon.

Das Düsseldorfer Handelsblatt sagt(e)
Mit Lust verwischt der Autor die Grenzen von Literatur und Schreiben, von Realität und Fiktion und schreibt zugleich eine handfeste Satire auf den Literaturbetrieb. Sein Roman ist sowohl Krimi wie philosophischer Exkurs.

Und das sage ich O:-)
Zu lesen war das Buch in einem Rutsch. Es enthält keine Längen, was auch deutlich an der Seitenzahl festzuhalten ist. Ich kann jetzt, wo ich es ausgelesen habe, sagen, dass ich es gut finde, dass der Autor auf ausschweifende Personenbeschreibungen und dergleichen konsequent verzichtet hat. Auch spielt sich bis auf wenige Ausnahmen alles in der Fakultät ab. Ohne diese viel beschreiben zu müssen entsteht eine unverwechselbare Atmosphäre, die dem Leser gedanklich, bildhaft Einblick verschafft in das alte Gemäuer mit seinen Büchern und skurrilen Besuchern. 
Er führt diverse Personen ein, ohne sie ausgiebig einzuführen. (Man achte auf meine Satzaussage) ;) Und doch kann sich auch hier der Leser anhand Erzählungen und Dialogen ein Bild von den Personen machen und sie in seine Gut und Böse Liste einreihen, die letztlich nicht richtig sein wird, weil De Santis es schafft, einen vollends zu verwirren. 
Die Handlung schreitet stetig voran, ist nicht anspruchsvoll, keineswegs, aber trotzdem muss man aufmerksam sein um nicht durcheinander zu kommen. Was schlussendlich doch passiert.
Was mich am meisten beeindruckt ist die Tatsache, welchen Nachgeschmack das Büchlein bei mir hinterlässt - nämlich die Tatsache, wie weit manche Menschen gehen (können), wie aggressiv und gewalttätig ihr Gedanken werden und wie sehr sich das mit Fiktion mischt, so dass diese Menschen krank(haft) sind. Und das beziehe ich jetzt ganz gezielt auf die Schriftstellerei und Bücher (Literatur), ohne es böse zu meinen. Aber wer süchtig ist nach dem Schreiben oder Lesen oder nach Büchern, der ist nicht ganz normal.  So empfindet man es beim Lesen, wenn die Realität mit der Fiktion davonschwimmt und den unwissenden Leser ahnungslos und irritiert zurücklässt - in der Frage, ob die Geschichte wirklich wahr ist/war.