Rezension

Finanzen und Feminismus

Die Erbin
von Simona Ahrnstedt

Bewertet mit 3.5 Sternen

Worum es geht: 
Die Schwedin Natalia De la Grip ist eine der angesehensten Unternehmensberaterinnen Europas. Doch obwohl sie in die schwedische Oberschicht und eine Welt grenzenlosen Wohlstands hineingeboren wurde, musste sie sich diesen Erfolg hart erarbeiten. Ihr höchstes Ziel ist es, einen Platz im Aufsichtsrat des milliardenschweren Familienunternehmens Investum und somit auch endlich die Anerkennung ihres patriarchalischen Vaters zu gewinnen. Als Natalia aus heiterem Himmel von David Hammar – Schwedens jüngstem und erfolgreichstem Risikokapitalgeber – zum Lunch eingeladen wird, ist sie zwar misstrauisch, vor allem aber eins: neugierig. Sie lässt sich auf das Treffen ein und ist überrascht, wie überwältigend die Anziehungskraft zwischen ihr und David ist. Doch was sie nicht weiß: David hat noch eine Rechnung mit ihrer Familie offen. Und die letzte Schachfigur, die er bewegen muss, um diese zu begleichen, ist Natalia …

Die Erbin ist alleine durch das Coverart auf meine Wunschliste gewandert. Ja ich bin so oberflächlich was Bücher angeht.
Allerdings muss dazu gesagt werden dass ich die Titel des INK und LYX Programms fast alle recht gerne mag, und dementsprechend wenig Angst hatte was den Inhalt angeht. Die Autorin ist bekannt für ihre Erotikromane die Im 18. Jahrhundert angesiedelt sind. Die Erbin ist ihr erster zeitgenössischer Roman.
Für mich durchging David die größte Entwicklung im Buch.
Beim Kennenlernen von David und Natalia kommt er noch verschlossen und zielstrebig rüber. Er hat ein Ziel und will das mit allen Mitteln erreichen. Natalia soll ihm helfen, der größte Coup seiner Karriere zu landen und das Imperium ihres Vaters zu zerstören. Für den Leser ein wenig vorhersehbar, ist die augenblickliche Anziehung, aber mal ehrlich, wir haben nichts anderes erwartet, nicht wahr?! ;)
Durch den langen Aufbau einer Freundschaft und schönen Gesprächen wird das Ruder aber wieder umgerissen. Die Autorin macht an sich alles richtig. Schön konstruierte Szenen, nicht zu gezwungene Dialoge. Leider empfand ich beim Lesen kein Knistern. Bisschen viel Märchen, schon sehr kitschig dank dem Reichtum der beiden.
Ein Element kommt leider häufiger bei der Autorin vor, das mich ein wenig störte. Statt David aktiv zu beschreiben und den Leser ihn selbst kennenlernen zu lassen, ihn selbst zu empfinden, wird leider nur durch Natalia gefühlt. Man liest nicht und denkt "Ach wie einfühlsam." weil David etwas richtig macht. David sagt was und Natalia kriegt die Aufgabe dem Leser zu verdeutlichen was er jetzt toll gemacht hat. Beispiel: "Natalia war erfreut, dass David so einfühlsam war". Manchmal empfindet Natalia etwas, das dem Leser nie vermittelt wurde durch die fehlende Aktion Davids. Nur weil der Autor eine Figur sagen lässt eine andere Figur ist einfühlsam, kommt das noch lange nicht beim Leser an, oder zumindest bei mir nicht.
Die Erbin kommt jung und modern daher, ist ein Schwerpunkt des Buches ganz klar Feminismus. Die Liebesgeschichte ist wahrscheinlich nur Zierwerk der Autorin um die Aussage "mehr Frauen in der Finanzbranche" rüber bringen zu können!
Natalia steht ziemlich alleine in ihrer Branche und muss sich tagtäglich gegen Vorurteile durchsetzen. Fragt sie zu oft nach, weil ihr etwas komisch vorkommt, wird sie gleich als unsicher und emotional abgestempelt. Ein Mann würde schließlich niemals einen Kollegen anrufen um etwas zu überprüfen! Trifft ein Mann eine Entscheidung bleibt er dabei und wenn er untergeht!
David, als Verfechter der Frauenquote in seinem Unternehmen, stellt dadurch natürlich den perfekten Held dar. Mehr als einmal wird sich über die Diskriminierung der Frauen unterhalten.
Natalias Vater wird in jeder Szene als Frauenfeindlich dargestellt, immer unzufrieden und am Streben nach noch mehr Macht. Diese Szenen sind meistens überspitzt und als Leser wünscht man sich 1 oder 2 Szenen die denen der Mann als Vater dargestellt wird, nicht bloß als Frauenhasser.
Das Bild des Vaters scheint aber wohl notwendig um Natalias wachsende Gefühle für David zu bestärken. Des weiteren bietet sich dadurch ein interessantes Familienbild. Die Kinder konkurrieren nicht nur untereinander um die Anerkennung des Vaters. Einzig Alexander scheint sich von den Geschwistern abzugrenzen, hat er schon lange erkannt, dass das Gerede seines Vaters sich mit seiner Einstellung kreuzt Die Mutter lebt gezwungenerweise unter der Herrschaft ihres Mannes, kann sie weder auf den Luxus noch auf den Ruf verzichten. Ein größeres Geheimnis innerhalb der Familie hilft bei Verständnis der Situation der Mutter, wenn sie auch bis zum Schluss vollständig zu überzeugen weiß Die größte Konkurrenz besteht wohl zwischen Peter und Natalia während für Peter klar ist, dass Natalia, wegen ihrer Genitalien sowie keine Chance hat. Peter ist der Schleimscheisser der Familie, sein einziger Lebensinhalt besteht darin es seinem Vater recht zu machen.
Diese verschiedenen Figuren helfen dem Buch einen besondere Dynamik zu geben. Schnell sind die Rollen klar und erlauben dem Leser sich in dieser Familie zu verlieren.
Neben der Familie und den Intrigen von David gibt es einen weiteren, interessanten Handlungsstrang. Asa, Natalias beste Freundin und Anwältin ihres Vaters.
Interessant ist hier Asa's Beziehung zu ihm, scheint ihr Vater sie immer bevorzugst zu haben. Asa besticht auch durch eine interessantere Hintergrundgeschicht als alle de la Grips zusammen. Sie vermittelt ein realistisches und gesundes Körperbild ( "Monroe Typ" - "Runder Bauch" ) und wusste mich vor allem durch ihre Probleme ( depressiv, versucht ihre Probleme zu ertränken und durch One Night Stands zu kompensieren ) zu faszinieren. Leider wurde ihre Geschichte komplett nebenbei erzählt und wir bekommen keinen separaten Band mehr zu ihr. Ich glaube Asa wäre eine interessantere Hauptfigur gewesen als Natalia. Zumindest eine der besten Nebenfiguren seit langem!
Fassen wir zusammen; Die Erbin ist bei weitem mehr als "nur ein Liebesroman", ich bin sicher, dass das Buch besser geworden wäre ohne die Erotik.
Aber auch die wird geboten! Schöne Szenen, stilvoll und nachvollziehbar inszeniert, weiß die Autorin gekonnt einzusetzen.
Ein weiteres Highlight für mich stellte der Handlungsort, Stockholm, dar. Einzig das Grand Hotel wird ein wenig zu pompös aufbauscht. Ich hab auch schon dort gefrühstückt und hatte leider eher den Eindruck, dass das Grand Hotel seine besten Tage schon hinter sich hatte. Geschmacksache, wie bei allem!
Eine Achterbahnfahrt der Gefühle garantiert!