Rezension

Finns Zukunftsinvestition

Apfelblütenträume - Raureif - Valentina May

Apfelblütenträume - Raureif
von Valentina May

Bewertet mit 4 Sternen

Finn Matthiesen hat der Apfelplantage seiner Familie schon früh den Rücken gekehrt, um sich als Finanzinvestor einen Namen zu machen und in der Heimat rar. Viele Affären und die Jagd nach Geld waren ihm immer wichtiger, auch um die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Als er beruflich auf die alleinerziehende Mutter und Reedereibesitzerin Maike trifft, deren kleines Unternehmen er aufkaufen möchte, drängt sich die Vergangenheit mit Macht wieder in Finns Leben. Er hatte vor Jahren eine Liebelei mit Maike, und ihre kleine Tochter Anna erinnert ihn an seine tote Schwester Caroline. Als sein Bruder Tom ihm dann noch erzählt, dass er vermutet, Caroline sei noch am Leben, setzt das kleine Erinnerungsfetzen in Finns Kopf frei. Doch wird er das Geheimnis aus der Vergangenheit lüften können?

Valentina May hat mit „Raureif“ den zweiten Teil ihrer Familiensaga und deren altes Geheimnis vorgelegt, die im Alten Land vor den Toren Hamburgs beheimatet ist und wo sich alles um die wunderschönen Apfelplantagen dreht. Der flüssig-leichte und gefühlvolle Schreibstil lässt den Leser schnell wieder in die Geschichte eintauchen. Diesmal dreht sich die Geschichte rund um Tom und Imkens Bruder Finn, der schon lange nichts mehr mit der alten Plantage zu tun haben will, was sicherlich auch in der Vergangenheit begründet liegt, die die Autorin langsam Fragment für Fragment offen legt. Der Leser schaut Finn bei seinem Job als Finanzinvestor über die Schulter, der mit Zahlen jongliert und ohne jede Regung eiskalt Unternehmen aufkauft, um sie meistbietend weiter zu veräußern. Die farbenfrohen Schilderungen der Landschaft und der Schiffe lassen schöne Bilder vor dem inneren Auge des Lesers entstehen, während er dem Schicksal von Finn und Maike folgt. Ebenso spannend wie das alte Familiengeheimnis um Caroline ist auch die sich anbahnende Beziehung zwischen Finn und Maike, die sich aus der Vergangenheit schon kennen. Schön war auch das Wiedersehen mit altbekannten Protagonisten aus dem ersten Band, die ein Gefühl von Vertrautheit wecken.

Die Charaktere sind mit menschlichen Zügen glaubwürdig und lebendig in Szene gesetzt, so hat der Leser leichtes Spiel, sich in sie hineinversetzen zu können und mit ihnen den Ereignissen entgegen zu fiebern. Finn ist als Finanzinvestor ein ausgekochtes Schlitzohr, kalt wie eine Hundeschnauze und nur auf seine persönliche Gewinnmaximierung fixiert. Frauen sind für ihn Zeitvertreib, bloß keine Gefühle investieren, das könnte ihn aus dem Takt bringen. Doch dann geht eine Veränderung mit ihm vor, die glaubhaft von der Autorin dargestellt wird. Maike ist eine liebevolle Mutter und mit Herz und Seele Reederin, doch sie weiß auch um die harte Konkurrenz, die ihr das Leben schwer macht. Tom ist Finns Bruder, der die Apfelplantage im Alten Land führt. Er ist zurückhaltend und wortkarg, während Schwester Imken eine freundliche und warmherzige Frau ist, die versucht, die Familie irgendwie zusammenzuhalten.

„Raureif“ ist eine gelungene Fortsetzung der geheimnisvollen Familiengeschichte, die Konflikte, alte Erinnerungen und eine neue Liebe in sich vereint, aber auch den Spannungslevel um das alte Geheimnis um Caroline weiter aufrecht erhält, das hoffentlich mit dem heißersehnten dritten Teil endlich gelüftet wird. Verdiente Leseempfehlung!