Rezension

Flashback in die Kindheit

Lügen über meine Mutter -

Lügen über meine Mutter
von Daniela Dröscher

Bewertet mit 5 Sternen

Worum geht’s? Ela wächst in einem kleinen Dorf in den 1980er Jahren auf. Ihr Leben wird bestimmt von einer Mutter, die sich kleiner macht, als sie ist und von einem Vater, der das Gewicht der Mutter für alles verantwortlich macht, was ihm versagt bleibt. Doch eines Tages begehrt ihre Mutter auf und will sich nicht mehr alles gefallen lassen.

Meine Meinung:

„Lügen über meine Mutter“ (Kiepenheuer & Witsch, August 2022) von Daniela Dröscher ist ein eindrucksvoller Roman über eine Kindheit in den 1980er Jahren. Die Autorin erzählt sehr autobiografisch, ob Sie es tatsächlich so erlebt hat, geht aus dem Buch jedoch nicht hervor. Besonders spannend fand ich die unterschiedlichen Erzählperspektiven, einmal aus ihrer Sicht als Tochter der Familie und einmal aus der Gegenwart, in welcher sie die Dinge, die sie als Kind erlebt hat, mit ihrer Mutter bespricht und nachfragt bzw. Erklärungen findet. Ein anderer aber sehr faszinierender Erzählstil!

Die Geschichte selbst hat mich in meine eigene Kindheit zurückgeworfen. Die Fernsehsendungen wie Dr. Snuggles & Co., die zuckerbestäubten Bonbons – ich kann mich noch zu gut an die mit der dicken Himbeerform erinnern, die gegen die Zähne geklappert sind. Die Ballonärmel, überhaupt die Kleidung und was die Kinder gespielt haben. Die Fitnessvideos von Jane Fonda. Dauerwellen. Tschernobyl. Für mich war dieser Roman wirklich ein Flashback in die eigene Kindheit, der viele Erinnerungen wieder hochgebracht hat an Dinge, die schon in den Tiefen des Gehirns versunken waren. Die Mutter von Ela hat mir gut gefallen und zugleich auch leidgetan. Was sie alles ertragen musste und wie sie dennoch gekämpft hat, bis die angeschlagene Gesundheit ihr die Kraft geraubt hat. Und selbst dann blieb sie noch stark. Und so hart und verbissen sie auf der einen Seite war, so herzensgut und großzügig war sie auf der anderen, Hilfsbedürftigen gegenüber.

Es war spannend, Elas Geschichte und die Geschichte über ihre Familie zu lesen. Und obwohl eigentlich nichts passiert ist, hat mich das Buch dennoch auf unerklärliche Weise komplett in seinen Bann gezogen. War es der Blick hinter fremde Türen? In anderer Leute Leben? Die außergewöhnliche Art zu schreiben? Das Weiterdenken nach den Gründen dahinter? Das Verständnis für Elas Mutter, die mit ihrem Gewicht kämpft und immer wieder verliert und deren Mann ihr gerade dies immer zum Vorwurf macht? Ich weiß es nicht, aber eins kann ich definitiv sagen: Was es auch war, das Buch hat mich vollkommen gefesselt! Ob es auch späteren Generationen so geht, kann ich nicht sagen. Aber allen, die in den 1970er und 1980er Jahren junge Eltern oder Kinder waren, kann ich dieses Buch nur empfehlen – lasst euch von der Erzählung fesseln, taucht nochmals ein in eure Kindheit und gebt euch ganz den Worten der Autorin und den Erinnerungen an damals hin.

Fazit:

Obwohl Daniela Dröscher in „Lügen über meine Mutter“ nicht wirklich viel erzählt, erzählt sie doch auch auf eine ganz besondere Art alles. Ich denke, dieses Buch ist vor allem für die jungen Eltern und Kinder der 1970er und 1980er Jahre faszinierend, weil es die Vergangenheit wiederaufleben lässt und viele Erinnerungen hochbringt, an die Süßigkeiten, die damaligen Fitness- und Modetrends usw. Zugleich wird man als Zuschauer beteiligt an dem Schicksal einer Familie. Einer Frau, die mit ihrem Gewicht kämpft und deren Mann alle seine Fehlschläge auf eben dieses Übergewicht seiner Frau schiebt. Eine Frau, die sich langsam hinauskämpft und beginnt, ihre frau zu stehen. Und das alles einmal erzählt aus der Sicht der 7-10-jährigen Ela und zum anderen aus Sicht ihres erwachsenen Ich, das die Kindheitserlebnisse nochmals Revue passieren lässt und mit dem Wissen einer Erwachsenen und Nachfragen bei ihrer Mutter bewertet.

5 Sterne von mir für diesen außergewöhnliche und mitreißende Zeitreise in die 1980er Jahre!