Rezension

Flori`s Geschichte - die Liebe und die Kunst

Die Schwestern vom Ku'damm: Tage der Hoffnung - Brigitte Riebe

Die Schwestern vom Ku'damm: Tage der Hoffnung
von Brigitte Riebe

Bewertet mit 5 Sternen

** Flori musste die Stacheln ausfahren, damit man sie nicht übersah, musste aufbegehren gegen das, was ihr zuwider war, und sich vor allem anstrengen, alles immer ganz, ganz anders zu machen als die beiden. **

Im 3. Band der Thalheim-Schwestern dreht sich alles um Nesthäkchen Florentine. Die einem vor allem noch als kleiner Rebell in Erinnerung gebliebene Jüngste wird erwachsen und sucht die große Liebe und ihren Platz in der Welt. 

Flori`s Herz schlägt für die Kunst, die Malerei. Sie möchte sich nicht im familieneigenen Kaufhaus einbringen und dort als Dekorateurin versauern. Ihr Ziel ist die Berliner Kunstakademie, denn wenn sie malt sprechen die Farben zu ihr und die Welt wird ruhiger. Synästhesie nennt man ihre Gabe und sie lernt langsam zu verstehen, dass es ein Geschenk ist und kein Fluch... 

Auch der sehnsüchtig erwartete 3. Band der Ku`damm Schwestern hat mich wieder gefangen genommen und direkt ins Berlin der späten 50iger katapultiert. Wie schon in den Vorbänden ist es eine gelungene Mischung aus historischen Fakten und fiktiver, authentisch wirkender Familiengeschichte - unheimlich akribisch recherchiert. 

Brigitte Riebe versteht es einfach deutsche Geschichte wieder lebendig werden zu lassen und geht oft sehr in die Tiefe. Dadurch entsteht ein grandioses Kopfkino! Ich habe den Bau der Berliner Mauer aus einem ganz anderen, unheimlich interessanten Blickwinkel miterlebt. Man hatte das Gefühl dabei zu sein, vor dem Stacheldrahtzaun zu stehen und man hat vor allem auch die Verunsicherung über das was hier grade geschieht, gespürt. Gänsehautfeeling! Das habe ich so noch nicht gelesen. Und auch die Auftritte von Willy Brandt und seiner Frau sowie einiger anderer Berühmtheiten haben mich sehr berührt. 

Man wird zurückversetzt in die Zeit der Besatzung, als der Ost-West Konflikt langsam eskaliert, bis hin zum Mauerbau, den auseinandergerissenen Familien und Fluchtgedanken - aber es ist auch eine Zeit des Wandels und Aufbruchs, der Kreativität, der neuen Mode und Musikeinflüssen.... 

Konnte man in Band 2 noch mehr oder weniger quer einsteigen, würde ich es jetzt nicht mehr empfehlen, denn die Thalheims sind eine Familie voller Geheimnisse, Eskapaden und stetem Zuwachs. Das Tolle daran, die bekannten Gesichter und charismatischen Nebenfiguren bleiben einem immer erhalten. Ich finde die Charaktere großartig - auch die vielleicht nicht ganz so sympathischen - denn sie sind alle sehr authentisch mit ihren Fehlern, Ecken und Kanten. Der Autorin gelingt es, dass man die so unterschiedlichen Schwestern immer wieder aus einem anderen Blickwinkel wahrnimmt und neue Seiten an ihnen erkennt. Ich habe Flori zu Beginn ganz oft nur als verzogene Göre gesehen. Mittlerweile kann ich sie verstehen und im Nachhinein auch ihre früheren Aktionen nachvollziehen.

Flori ist stark und eigensinnig, hat aber auch eine sehr verletzliche und unsichere Seite. Sie fühlt sich stets außen vor und sucht nicht nur ihren Platz in der Familie, sondern auch ihren Weg im Leben und in der Liebe. Ganz unerwartet ist mir die emotionale Jüngste unheimlich ans Herz gewachsen. 

Fazit: Krönender Abschluss einer fesselnden und interessanten Familiengeschichte, die nicht nur wieder einmal tiefe Einblicke in das Zeitgeschehen bietet, sondern auch in die Welt der Kunst, der Malerei und Fotografie. Für mich hätte die Reihe um die Thalheims gerne noch weitergehen können.

Im Anhang befindet sich übrigens auch diesmal eine Zeittafel, die chronologisch die wichtigsten historischen Fakten aufführt.